TV-Tipp: "Herr und Frau Bulle: Tod im Kiez" (ZDF)

Alter Fernseher vor einer gelben Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Herr und Frau Bulle: Tod im Kiez" (ZDF)
17.11, ZDF, 20.15 Uhr
"Herr und Frau Bulle": Das klingt nach Komödie. Die Story ist jedoch knallhart: Eine Mordserie sorgt in Berlins Halb- und Unterwelt für große Unruhe, denn die strangulierten Opfer werden öffentlich ausgestellt; hier will offensichtlich jemand unübersehbare Zeichen setzen.
Eine witzige Ebene gibt es trotzdem, weil Alice Dwyer und Johann von Bülow ihre Rollen mit einer komischen Note versehen. Das gilt auch für Konstellation des Titelduos, obwohl sie auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich ist: Yvonne Will ist Kriminalhauptkommissarin, Ehemann Heiko angesehener Fallanalytiker beim LKA. Normalerweise arbeitet das Ehepaar also gar nicht zusammen: Der Psychologe ist ein typischer Theoretiker; Yvonnes Revier ist dagegen die Straße, was sich auch in ihren wenig zimperlichen Befragungsmethoden äußert. Angesichts des bizarren ersten Mordfalls lässt Kriminaldirektor Pede (Stephan Bissmeier) sie jedoch gemeinsam ermitteln, zumal beim Leichenfund zugegen waren: Als der Pianist beim Maskenball in einem verrufenen Etablissement in die Tasten greifen will, entdeckt er unter dem Deckel seines Flügels eine nackte Frauenleiche. Weil die mit einem Stromkabel strangulierte Dame einst ein Herr war, verdächtigt Heiko zunächst den einschlägig vorbestraften Clubbetreiber (Bernd Michael Lade), der die Frau für das Vergnügen seiner Kunden engagiert hat. Nach einem weiteren Fall mit ähnlicher Handschrift – diesmal baumelt eine Leiche unter der S-Bahn-Überführung – ahnen die Ermittler, dass der Mörder ein ganz bestimmtes Viertel in Angst und Schrecken versetzen will. 
 
Serienautor Axel Hildebrand ("WaPo Bodensee", "Die Chefin", "Der Staatsanwalt"), der auch schon ein paar interessante Drehbücher für "Ein starkes Team" geschrieben hat ("Knastelse"), konzipiert die Geschichte zunächst reizvoll undurchschaubar. Das gilt auch für das auf ungewöhnliche Weise eingeführte Titelpaar: Nach dem Leichenfund im Club und dem Erscheinen der Polizei wollen sich Heiko und Yvonne durch den Notausgang verdrücken, lösen dadurch einen Alarm aus und erregen auf diese Weise natürlich besonders viel Aufsehen; erst jetzt verrät Hildebrand, wer die beiden sind. Diese heitere Note behält der Film dank entsprechender Dialoge selbst dann noch bei, als aus der vermeintlichen Komödie auch dank der Musik (Andreas Koslik) und der typischen kühlen ZDF-Bildsprache (Kamera: Timo Moritz) ein echter Krimi geworden ist. Als der Innensenator (Walter Kreye) den Kriminaldirektor anweist, die Ermittler zurückzupfeifen, und Heiko mutmaßt, dass irgendjemand den Kiez übernehmen will, nimmt die Handlung vorübergehend gar Züge eines Polit-Thrillers an.
 
 
Ähnlich wie bei vielen "Wilsberg"-Episoden oder wie früher bei "Ein starkes Team" ergeben sich die komischen Momente in erster Linie durch das Miteinander der Figuren, was für einen interessanten Kontrast sorgt: hier die Mordserie, dort die kleineren und größeren Animositäten zwischen den Ermittlern. Das gilt vor allem für die zweite Reihe: Heikos persönliche Assistentin Diane und Yvonnes Kollege Kevin können sich auf Anhieb nicht leiden. Während Birge Schade die bedingungslos loyale Frau als ältliche Person mit Prinzipien verkörpert, die im Verlauf der Handlung aber immer mehr auftaut, darf Tim Kalkhof die witzigen Akzente setzen. Das macht er ähnlich gut wie zuletzt als Ensemble-Mitglied der Neo-Serie "Nix Festes" oder wie in der Versicherungskomödie "Nur nicht aufregen!" (2016), auch dort übrigens ein "Kevin". Der Kevin von der Kripo ist für die Verfolgungsjagden zuständig und offenbart eindrucksvolle Nehmerqualitäten, ist aber ähnlich wie seine Vorgesetzte in der Lage, Ganoven mit einem Schlag außer Gefecht zu setzen. Als die in jeder Hinsicht schlagfertige Yvonne jedoch in einem Hinterhof von gleich zwei kleiderschrankgroßen arabischstämmigen Schlägern überfallen wird, braucht sie Hilfe, weshalb es sich gut trifft, dass just in diesem Moment ein Däne namens Vidar (Carsten Bjørnlund) auftaucht. Dass sich die Araber brav trollen, hätte Yvonne unter anderem Umständen womöglich zu denken gegeben, aber der gutaussehende Vidar hat es ihr offenbar angetan, was auf Gegenseitigkeit beruht; aber manchmal lügen Dänen eben doch. Potenzial für Fortsetzungen hat auch eine Figur, die im ersten Film eher am Rande mitwirkt: Heinz Hoenig spielt gewohnt markant den Chef einer Rocker-Gang. Der Mann ist nicht zuletzt wegen seiner Beziehung zu Yvonne interessant. Die Kommissarin hat ohnehin einige illustre Kontakte ins Milieu, aber mit Onkel Mike verbindet sie zur großen Verblüffung von Gatte Heiko nicht nur eine berufliche Beziehung.
 
Für die gelungene Kombination von Krimi und Komödie steht auch Till Franzen. Der Regisseur hat in beiden Genres schon sehenswerte Filme gedreht: hier die "Nord bei Nordwest"-Episode "Der Transport" (2017), dort die ARD-Freitagskomödien "Drei Väter sind besser als keiner" (2016) und "Hausbau mit Hindernissen" (2017). Einziger Ausreißer war sein klischeehaft und spannungsarm inszenierter "Wolfsland"-Beitrag "Irrlichter". Nervenkitzel kommt zwar auch bei "Tod im Kiez" kaum auf, nicht mal zum Finale, als sich alle Beteiligten gegenseitig Pistolen an die Köpfe halten, aber das war offenbar auch nicht das Ziel. Dafür gibt es einige originelle Einfälle: Bei der Vernehmung der beiden Schläger öffnet Heiko das Hemd, um die Typen als "so eine Art Psychobulle" mit seinem FBI-T-Shirt zu beeindrucken; immerhin war der Psychologe tatsächlich mal ein Jahr beim FBI. Dieser Gag ist im Vergleich zu einem anderen, bei dem der pummelige Schoßhund des Ehepaars ein quietschendes Kuscheltier rammelt, fast schon subtil; selbst wenn sich später rausstellt, dass das Quietschen dazu dient, eine spätere Szene vorzubereiten.