TV-Tipp: "Tatort: Tiere der Großstadt" (ARD)

Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Tiere der Großstadt" (ARD)
16.9., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: Tiere der Großstadt"
Wenn ein Krimi "Tiere der Großstadt" heißt, bezieht sich der Titel mutmaßlich nicht allein auf die Vierbeiner, die immer wieder mal durchs Bild laufen; selbst wenn es auf Berlins Straßen vor Wildschweinen und Füchsen nur so zu wimmeln scheint. Tatsächlich entpuppt sich das Borstenvieh sogar als tödliche Gefahr.

Einer der beiden Todesfälle, die das Duo Karow und Rubin (Mark Waschke, Meret Becker) auf Trab halten, ist rasch aufgeklärt, als sich rausstellt, dass eine Joggerin nicht etwa ermordet worden ist, sondern eine denkbar unglückliche Begegnung mit einem Schwarzkittel hatte. Damit ist ihr Gatte (Kai Scheve), der ohnehin beweisen kann, dass er zum Todeszeitpunkt in seiner Backstube stand, aus dem Schneider; fürs erste jedenfalls. Dass dieser Teil der Geschichte trotzdem ein Verbrechen beinhaltet, ist nur eine der vielen Überraschungen, mit denen die mehrfache Grimme-Preisträgerin Beate Langmaack ("Guten Morgen, Herr Grothe") das Ermittler-Team konfrontiert. Der Tod der Joggerin ist ohnehin nur die Nebenebene. In der Hauptsache geht es um einen Mord, wie es ihn in der langen "Tatort"- Historie vermutlich noch nicht gegeben hat, selbst wenn die Handlung im weitesten Sinn an die Sonntagskrimis "Echolot" (Bremen), "Hal" (Stuttgart) und "Mord ex Machina" (Saarbrücken) anknüpft.

Womöglich hat sich Langmaack zu ihrer Geschichte durch Isaac Asimov inspirieren lassen. Der Science-Fiction-Autor hat vor 75 Jahren die Gesetze der Robotik geprägt. Die beiden wichtigsten Maximen: Roboter dürfen Menschen nicht verletzen und müssen tun, was ihnen befohlen wird; es sei denn, sie würden dann gegen Regel eins verstoßen. Im Hintergrund behandelt "Tiere der Großstadt" also ein ethisch hochkomplexes und angesichts der Diskussion über autonome Killerdrohnen hochaktuelles Thema: Eines frühen Morgens entdecken Jugendliche in einem "Robista Coffeeshop" am Ku’damm die Leiche des Besitzers. Noch gibt es solche Kaffeekioske nicht, aber technisch wären sie längst möglich: Eine Maschine nimmt die Bestellung entgegen und kredenzt das gewünschte Getränk. Der Mensch muss zwischendurch immer wieder mal die nötigen Zutaten nachfüllen, alles andere erledigt der "Robista", eine Anlehnung an den "Barista", wie Karow unnötigerweise erklären muss. Die Ermittler fragen sich, ob womöglich der Roboter selbst seinen Chef auf dem Gewissen hat, aber er hat ein Alibi: Sobald sich die Tür zum Kiosk öffnet, wird ein Sicherheitsmodus aktiviert und die Maschine steht still.

Schon der letzte "Tatort" aus Berlin, "Meta", war dank seiner "Film im Film"-Geschichte einer der faszinierendsten Sonntagskrimis der letzten Jahre. "Tiere der Großstadt" ist nicht ganz so raffiniert, aber dennoch reizvoll, zumal sich die Beziehung Mensch/Maschine durch den ganzen Film zieht. Das ist nicht immer elegant gelöst, wenn Karow seiner Kollegin zum Beispiel einen Vortrag darüber hält, dass sich die Menschen nach und nach selbst in Maschinen verwandeln werden. Es sei deshalb nicht zu befürchten, dass Roboter dereinst die Macht übernähmen, weil der Mensch selbst zur künstlichen Intelligenz werde. Gleichfalls eher ein Exkurs, aber viel eindrucksvoller ist der Besuch des Duos in einem technischen Kuriositätenkabinett, das mit seiner Sammlung gruseliger Menschmaschinen wie eine Achterbahn wirkt; hier arbeitet die Geliebte des ermordeten Kioskbesitzers. Entstanden sind die Aufnahmen im tatsächlich existierenden Berliner "Monsterkabinett". Eine weitere wichtige Figur ist ein einsamer alter Mann (Horst Westphal), der mit seinem Fernglas viel Zeit am Fenster verbringt und Karow eine Reihe von Geschichten erzählt, die mit dem Fall zunächst jedoch nichts zu tun haben. Entscheidenderen Anteil an der Auflösung hat der Robista-Schöpfer (Frank Leo Schröder), der Karow in die Welt der Robotik einführt. Und dann gibt es noch eine für die Geschichte im Grunde nicht weiter wichtige, aber dennoch interessante Gastrolle für Stefanie Stappenbeck als esoterisches Naturgeschöpf, das gewissermaßen den Gegenpol zu den Gesprächen über Menschmaschinen bildet.

Alle diese Figuren sorgen dafür, dass "Tiere der Großstadt" ungemein handlungsreich ist. Roland Suso Richter, Regisseur großer Werke wie "Der Tunnel", "Dresden" oder "Mogadischu",  ist ohnehin ein Mann für besondere Filme und hat gemeinsam mit Kameramann Max Knauer dafür gesorgt, dass der Krimi auch optisch sehenswert ist. Selbst Richter kann jedoch nicht verhindern, dass ausgerechnet die beiden Hauptfiguren nach wie vor ihre Schwächen haben. Jedes Mal, wenn es im Leben von Rubin privat wird, fällt der Film in ein Spannungsloch. Noch überflüssiger sind die cholerischen Aussetzer des Kollegen, der aus nicht nachvollziehbaren Gründen ständig seine Mitarbeiter schikaniert, während er andererseits mit dem alten Mann viel Geduld hat. Mark Waschke ist von Natur aus ein derart prägnanter Typ, dass es überhaupt nicht nötig ist, die Figur durch dieses dissoziale Verhalten künstlich interessanter zu gestalten.