TV-Tipp: "Ein starkes Team: Tod und Liebe" (ZDF)

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TV-Tipp: "Ein starkes Team: Tod und Liebe" (ZDF)
18.8., ZDF, 20.15 Uhr
Vor einiger Zeit war ein Gesellschaftsspiel verbreitet, bei dem die Beteiligten durch Fragen an den Erzähler ein Krimirätsel lösen mussten. Das Spiel startete stets mit einer sehr knappen und möglichst skurril klingenden Zusammenfassung des Falls. Ganz ähnlich beginnt Timo Berndts Drehbuch für diesen ausgesprochen interessanten Film mit dem "Starken Team" aus Berlin.
Ein Großvater bereitet den Kindergeburtstag seines Enkels vor, findet im Keller eine tote Katze, beerdigt das Tier und nimmt sich anschließend das Leben. Im Haus des Mannes entdeckt die Polizei Diebesgut sowie ein Foto auf einem Smartphone, das sie zur Villa einer sehr vermögenden, aber nun auch sehr toten Baulöwin führt. Die Frau ist vor zwei Tagen erschossen worden, und zwar mit der gleichen Waffe, die auch der Großvater benutzt hat. Mord, Mörder und Mordwaffe: Der Fall scheint Minuten geklärt, bloß Linett Wachow (Stefanie Stappenbeck) hat Zweifel an der Theorie vom Raubmord. Tatsächlich finden sich alsbald Menschen, denen das Ableben der Unternehmerin zumindest nicht ungelegen kommt, etwa der hinterbliebene Gatte (Julien Weigend), ein Galerist, der sich mit seiner Frau erst kürzlich noch lautstark über ein wertvolles Gemälde gestritten hat, das sie nicht rausrücken wollte; oder die Mieter, die partout nicht aus einem Haus ausziehen wollen, das luxussaniert werden soll, obwohl sie schon geraume Zeit schikaniert werden.
 
Selbst wenn diese Nebenstränge letztlich bloß die üblichen Ablenkungsmanöver sind, so hat sich Berndt doch sichtbar mehr Mühe damit gegeben, als dies oft anderswo der Fall ist. Dem Witwer zum Beispiel kommen die Ermittler nur deshalb auf die Spur, weil sie sich die Fotos vom Tatort sehr genau angeschaut haben; und auch die Szenen aus der Wohngemeinschaft (mit Suzan Anbeh als Wortführerin) sind glaubwürdig, auch wenn früh klar ist, dass die Leute ein Alibi haben und vermutlich keinen Mord in Auftrag geben würden. Zur WG gehört allerdings auch ein Mann, der von Dirk Borchardt gespielt wird, und wenn der in einem Krimi mitwirkt, gehört er automatisch zu den Verdächtigen, zumal er schon zu Beginn um das Haus des Selbstmörders geschlichen ist. In eine Wohngemeinschaft passt dieser Tim Hendriks ohnehin nicht; für Otto Garber (Florian Martens) ist er schlicht ein "Falscher Fuffziger". Damit liegt er richtiger, als ihm zunächst klar ist, denn nun nimmt die Geschichte eine komplette und völlig unerwartete Wende, als sich rausstellt, dass die tote Baulöwin einst Stasi-Major war und die direkte Vorgesetzte ihres vermeintlichen Mörders Born (damals Leutnant) gewesen ist. Dass die Tatwaffe noch aus alten Stasi-Zeiten stammte, passt daher bestens ins Bild. Beide haben für eine Abteilung gearbeitet, die so geheim war, dass sie nicht mal einen Namen hatte: Die Mitglieder haben dafür gesorgt, dass sogenannte Feinde der Republik auch nach der Flucht oder der offiziellen Ausreise in den Westen nicht vor dem langen Arm der Stasi sicher waren, und dabei mit Hilfe einer denkbar perfide Methode eine Todesliste abgearbeitet. Garber, ehemals Volkspolizist, bezeichnet die Stasi mehr als einmal als "Meister der Manipulation"; offenbar hat er, wie sein Chef Reddemann (Arnfried Lerche) andeutet, Erfahrungen aus erster Hand machen müssen.
 
 
Die entsprechenden Hintergrundinformationen vermittelt der Film exakt zur Hälfte im Rahmen einer ungewöhnlich langen Gesprächsszene, die aber dank Regie, Kamera und Schnitt ausgezeichnet aufgelöst ist. Außerdem ist natürlich allein die Tatsache, dass Berndt nun eine gänzlich andere Geschichte erzählt, verblüffend, zumal die neue Ebene noch weitere Rätsel aufgibt: Warum sollte der ehemalige Leutnant seine frühere Chefin erschießen? Welche Rolle spielt der freundliche Taxifahrer Gast (Rainer Hunold), der sich so aufopferungsvoll um seine sterbenskranke Frau kümmert? Und warum begegnet ihm die Besitzerin (Teresa Harder) einer Pfandleihe, bei der er eine teure Uhr versetzt, um die Medikamente für seine Frau bezahlen zu können, so hartherzig und mitleidlos? Und warum ist es wichtig für die Lösung des Falls, dass die Katze nicht eines natürlichen Todes gestorben ist?
 
Martin Kinkel hat mit Rainer Hunold viele Folgen der ZDF-Reihe "Der Staatsanwalt" gedreht, und der Schauspieler wirkt hier selbstredend nicht nur mit, um von Zeit zu Zeit im Park zu sitzen; übrigens just dort, wo sich Born erschossen hat, und zwar offenbar mit seiner alten Stasi-Waffe. Natürlich lebt "Tod und Liebe" vor allem von der Frage, wie das alles zusammenpasst, wer mit wem eine Seilschaft gebildet hat und warum es offenbar eine neue Todesliste gibt. Kinkels Umsetzung ist handwerklich von großer Qualität, aber gar nicht weiter auffällig; die Krimispannung entsteht tatsächlich einzig und allein aus der Neugier, die Berndt mit jeder weiteren Information nur noch stärker schürt. Kinkels Arbeit mit den Schauspielern ist ohnehin vorzüglich. Stappenbeck und Martens agieren miteinander, als würden sie das schon ewig tun, ohne deshalb in Routine zu verfallen; kleine Geplänkel zwischendurch wirken nie aufgesetzt oder wie ein Tribut ans Publikum, das von "Ein starkes Team" auch ein paar Schmunzler erwartet. Die Abteilung "Sputnik" findet diesmal ohnehin mit anderer Besetzung statt, weil Jaecki Schwarz offenbar verhindert war und deshalb nur in einer kurzen Videoeinspielung präsent ist: Garbers alter VoPo-Kollege hat ausgerechnet ein Nagelstudio aufgemacht, das aber vertretungsweise von Garbers Cousin (Martin Glade) geführt wird; und ausgerechnet hier kommt es am Ende zu einer Schießerei, bevor sich der Letzte Überlebende der alten Stasi-Seilschaft ein weiteres Mal als Meister der Manipulation entpuppt. Florian Martens erfreut wie stets durch trockenen Humor und einige kleine Einlagen, etwa als Elefant im Kunstladen, aber "Tod und Liebe" bleibt immer Krimi. Schon die Filmmusik während der ersten Eindrücke vom Kindergeburtstag deuten an, dass die Feier sehr unfröhlich enden wird. Interessant ist auch die Gestaltung der Revierbilder: Kinkel und sein Kameramann Henning Jessel haben für ein reizvolles Zwielicht gesorgt, weil die Gesprächs- und Vernehmungsszenen nur ganz sparsam beleuchtet werden. Die Geschichte ist allerdings noch viel undurchschaubarer.