Gott ist ein Freund der Wissenschaften

Studenten sitzen in einem Hörsaal
Foto: Jochen Eckel/SZ Photo/Laif
Bildung kostet Geld und Anstrengung, Unbildung kommt auf Dauer aber viel teurer zu stehen.
Gott ist ein Freund der Wissenschaften
Was bedeutet die Reformation für die Universität im 21. Jahrhundert?
Die Reformation gab der Bildung und Wissenschaft einen enormen Schub. Die Ideen und Gedanken der Reformatoren sind auch heute noch Inspiration für die wissenschaftliche Bildung und Forschung.
31.07.2018
EKD-Flugschrift Reformationstag 2018

"Hier stehe ich, ich kann nicht anders!" Mit dieser Überzeugung hat Martin Luther nicht nur die Kirche, sondern auch die Welt verändert. Er war dabei nicht nur ein großer Theologe, Kirchenpolitiker, Musiker und Medienexperte, sondern auch Universitätsprofessor. Ihm lag – wie seinem Freund und Kollegen Philipp Melanchthon – sehr viel an Wissenschaft und Bildung.

Durch ihre Bildungsschriften haben die Reformatoren wichtige Impulse für wegweisende Bildungsreformen gesetzt. Sie waren davon überzeugt, dass Gott ein Freund der Forschung und der Wissenschaft ist. Luther hat in seiner Schrift an die "Ratsherrn aller Städte deutschen Landes" explizit über den Schaden reflektiert, der durch Unbildung entsteht und der "so still vonstatten [geht], daß es niemand merkt, und es wird den Schaden angerichtet haben, ehe man raten, wehren und helfen kann. Man fürchtet sich vor . . . Kriegen und Hochwasser, denn da versteht man, was Schaden und Nutzen ist."

Luther: Unbildung kommt teuer zu stehen

Der Schaden durch Unbildung hingegen "kommt still herein". Bildung kostet Geld und Anstrengung, Unbildung kommt auf Dauer aber viel teurer zu stehen. Das ist Luthers Argument. Es ist plausibel bis heute. Die Reformatoren waren davon überzeugt, dass es guter Schulen und Universitäten bedarf, damit die Menschen ihre Fähigkeiten gezielt und mit Vernunft zum Wohl der anderen einsetzen können oder, wie Luther sagt, "dass die Welt durch uns gebessert würde". 

Die Welt verbessern – das ist das reformatorische Programm. Es ist – jedenfalls mittelbar – auch das Programm der Universität. Der Universität geht es um eine möglichst gute wissenschaftliche Bildung und Berufsausbildung, um eine autonome, der Wahrheit verpflichtete Forschung und in beidem um eine Verbesserung der Welt im weitesten Sinne. Heute wird deshalb nicht ohne Grund die "Third Mission" universitärer Bildung und damit das konstruktive Wirken wissenschaftlicher Bildung in die Gesellschaft hinein besonders betont.

Insofern gibt es auch jenseits von evangelisch-theologischen Fakultäten zwischen der Universität als Organisationsform der Wissenschaft und der Reformation etliche Verbindungslinien, die es wert sind, auch im 21. Jahrhundert erinnert und reflektiert zu werden. An der Ruhr-Universität in Bochum versammelten sich im vergangenen Jahr Professorinnen und Professoren aus nahezu allen Fachbereichen, um unabhängig von ihren jeweiligen religiösen oder nichtreligiösen Überzeugungen über die wissenschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der Reformation nachzudenken.

Reformation inspiriert moderne Wissenschaft

Professorinnen und Professoren aus Religionswissenschaft, Germanistik, Philosophie, Geschichte, Geschlechtergeschichte, Musikwissenschaft, Erziehungswissenschaft, Mathematik, Physik, Chemie, Ingenieurswissenschaft, Jura, Arbeitswissenschaft, der katholischen und der evangelischen Theologie fragten in kurzen Statements nach den Auswirkungen der Reformation auf ihr jeweiliges Fach oder sie reflektierten darüber, welche Grundanliegen und Texte der Reformation ihnen persönlich besonders viel bedeuten oder sie formulierten klar und deutlich Herausforderungen, vor die uns das reformatorische Gedankengut als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bis heute stellt. Nicht nur das docere, sondern auch das delectare und movere kamen dabei nicht zu kurz.

Der Abend war eine "universitäre Sternstunde" (Reinhard Mawick). Viele waren bewegt, dass von der Reformation so viele Inspirationen für die Wissenschaft ausgingen und bis heute ausgehen. Deutlich wurde das im Hinblick auf die Rechtsgeschichte, die neue deutsche Literaturgeschichte, das Verständnis von Arbeit und Beruf, die Belebung von Musik und Gesang und deren universitäre Reflexion, die Impulse für ein umfassendes Bildungsverständnis (auch für Mädchen), im Hinblick auf den Freiheitsbegriff (auch in der Philosophie), aber auch ganz persönlich als Erinnerung an die Unverfügbarkeit des Lebens, die Begrenztheit menschlicher Gestaltungsmöglichkeiten und als Reflexion der heilvollen Unterscheidung von methodischem Atheismus und persönlichem Dasein vor Gott.

So zeigte sich: Die Reformation ist für die Universität ein bleibend wichtiger Anlass, das Gedächtnis daran lebendig zu erhalten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenzubringen und sie dazu zu bewegen, sich über die Fächergrenzen hinweg auszutauschen und zu begegnen.