TV-Tipp: "Wilsberg: Mord und Beton" (ZDF)

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TV-Tipp: "Wilsberg: Mord und Beton" (ZDF)
21.7., ZDF, 20.15 Uhr
Der Titel mag etwas einfallslos und eher wie eine Inhaltsangabe klingen, aber im Rahmen der Reihe gehört "Mord und Beton" sicher zu den besten zehn Episoden. Der Film, eine Wiederholung aus dem Jahr 2016, ist zwar in der Gesamtrechnung Folge 51, doch für Wilsberg-Darsteller Leonard Lansink ist es der 50. Auftritt: Im allerersten Krimi 1995 hatte noch Jürgen Król den Privatdetektiv aus Münster verkörpert. Die Geschichte ist dank ihres Handlungsreichtums eines Jubiläumsfalls mehr als würdig und sorgt immer wieder für Überraschungen.

Das Drehbuch stammt von Sandra Lüpkes, die zuletzt schon mit "Bauch, Beine, Po" die Vorlage für eine sehenswerte "Wilsberg"-Episode geschrieben hat; Koautor ist Schriftsteller Jürgen Kehrer, der Erfinder der Romanfigur. Regie führte Hansjörg Thurn, der es gern eine Nummer größer mag ("Die Wanderhure", "Die Schatzinsel") und hier zum ersten Mal einen Reihenkrimi inszeniert hat. Die erste Viertelstunde ist enorm handlungs- und temporeich. Anschließend drosselt Thurn die Turbulenzen etwas, aber es passiert auch weiterhin eine ganze Menge; gemessen an anderen Filmen der gelegentlich gern gemächlichen Reihe ist "Mord und Beton" ungewöhnlich actionhaltig, spannend und dramatisch.

Der Film beginnt mit einer Finte, die nicht die letzte bleiben wird: Ekki (Oliver Korittke) wird bei einer Personenkontrolle mit einem Tütchen Cannabis erwischt. Tatsächlich handelt es sich um eine Demonstration, denn der Finanzbeamte kooperiert mit den von Drogenfahnder Maaß (Tim Wilde) angeführten Kollegen vom Zoll. Zur gleichen Zeit soll Wilsberg im Auftrag seiner Freundin Anna Springer dem Bauunternehmer Lobland (Christoph M. Ohrt) auf den Zahn fühlen; er gibt es sich als Großinvestor namens Thewes aus. Lobland will aus dem Industriehafen in Münster ein nobles Wohn- und Büroviertel machen. Um das zu verhindern, haben Aktivisten Teile des Hafens besetzt. Und dann geht es Schlag auf Schlag: Maaß und seine Männer finden zwei Kilogramm Rauschgift bei den Hausbesetzern, eine Lagerhalle geht in Flammen auf; im letzten Moment kann Wilsberg seinen Kumpel Ekki und eine der Wortführerinnen (Annika Blendl) der Gruppe retten. Ein Mitarbeiter Loblands, der ebenfalls an der Rettungsaktion beteiligt war, wird ermordet, kurz drauf wird Loblands Frau (Gesine Cukrowski) entführt, dann stirbt ein Mitglied der Aktivisten; und ausgerechnet Thewes wird als Täter gesucht.

Obwohl das Drehbuch einige Subthemen abhandelt, wirkt die Geschichte nie überfrachtet. Unter anderem geht es um Gentrifizierung: Lobland ist Vermieter von Kommissarin Springer (Rita Russek), lässt die Wohnungen in dem Haus in der Bielefelder (!) Chaussee aber konsequent verkommen; deshalb unterstellt Maaß der Kollegin von der Mordkommission, sie ermittele gezielt gegen den Baulöwen, um sich zu rächen. Tatsächlich spielt der vermeintlich warme Abriss der Lagerhalle Lobland in die Karten, und weil Christoph M. Ohrt den Mann als mit allen Abwassern gewaschenen Widerling verkörpert, traut man ihm selbstredend zu, auch in die Entführung seiner Frau verwickelt zu sein, zumal sich die zwei Millionen Lösegeld, die Wilsberg übergeben soll, als bloßes Papier entpuppen; ein Fehler, der fatale Konsequenzen hat und dafür sorgt, dass der Film abrupt eine völlig andere Stimmung annimmt und Wilsberg sich später gleich zwei Ohrfeigen einhandelt. Das Drehbuch sorgt ohnehin immer wieder für Überraschungen. Das gilt auch für Handlungswendungen, die zumindest erahnbar sind. Lüpkes und Kehrer setzen oft noch eins drauf. So muss Wilsberg zum Beispiel wieder mal erkennen, dass er nicht viel von Frauen versteht; Zollfahnder Maaß allerdings auch. Gut integriert sind zudem die Soli der weiteren Ensemblemitglieder, und am Schluss bekommt Ekki noch Gelegenheit, sich bei seinem Freund zu revanchieren.

Bei einigen der Aktivisten ist das schauspielerische Talent nicht ganz so groß wie ihr darstellerischer Eifer, aber das fällt angesichts der dichten Inszenierung von "Mord und Beton" überhaupt nicht ins Gewicht. Thurn sorgt mit seinem Kameramann Uwe Schäfer für einige ungewöhnliche Einstellungen und filmt das Geschehen mal aus der Froschperspektive, mal von der Zimmerdecke, stellt seine Arbeit ansonsten aber ganz in den Dienst der Geschichte. Dass er auch Komödie kann, hat er vor Jahren mit "Barfuß bis zum Hals" hinlänglich bewiesen. Hier inszeniert er die komischen Momente auf eine sehr beiläufige und lässige Weise, nie zum Selbstweck, aber gern mit Verzögerung. Bestes Beispiel ist eine Ampelszene, als Wilsberg in dem fetten SUV, der zur Tarnung von Thewes gehört, von einer ziemlich attraktiven Blondine angelächelt wird. Er freut sich zwar, nutzt die Gelegenheit aber auch, um sein Smartphone im Fahrradkorb der Dame zu deponieren; prompt sieht sich die junge Frau kurz drauf von einer Horde schwerbewaffneter Polizisten umringt. Ein richtig guter "Wilsberg"; und ein echter Maßstab für die nächsten Episoden.