Die Bank des Vertrauens

Der katholische Theologe Sebastian Swiatkowski steht mit seiner Kirchenbank im Kurpark Titisee-Neustadt am Ufer des Titisees
Foto: epd-bild/Winfried Rothermel
Der katholische Theologe Sebastian Swiatkowski baut seine Kirchenbank am Ufer des Titisees auf. Inzwischen hat der Seelsorger mehr als 50 Gespräche über Gott und die Welt geführt.
Die Bank des Vertrauens
Seelsorger reist mit einer "mobilen Kirchenbank" durch den Hochschwarzwald
Ein junger Theologe baut in Parks eine Original-Kirchenbank auf, jeder kann sich zu ihm setzen und frei von der Leber erzählen. Manche sprechen über Trennungsabsichten, andere über Mobbing - und einmal wurde er für einen Zauberer gehalten.

Die Sonne steht schon hoch am Himmel, als Sebastian Swiatkowski mit Holzteilen in der Hand in den Kurpark Titisee-Neustadt kommt. Der Park im Schwarzwald liegt direkt am See, am gegenüberliegenden Ufer leuchten Nadelbäume in verschiedenen Grüntönen. Die Holzteile sehen etwas sperrig aus, aber der 28-Jährige macht ein paar Handgriffe, zieht Schrauben fest und schon steht am Seeufer eine glatt polierte "mobile Kirchenbank". Fix stellt Swiatkowski noch zwei Schilder auf: "Erzähl mir was, ich hör dir zu!", steht darauf. Dann setzt sich der junge Mann in Jeans und T-Shirt hin. Und wartet.

Zwei Stunden lang wird er nun bleiben und einfach Ansprechpartner sein. Swiatkowski ist katholischer Theologe, Pastoralassistent. Es ist bereits der zweite Sommer, in dem er mit der Kirchenbank an verschiedenen Orten im Hochschwarzwald Platz nimmt.

Das erste Mal sei es komisch gewesen, sagt er. "Auf der Bank ist man den Blicken ausgesetzt. Man macht sich angreifbar." Das sei auch für seine Gesprächspartner eine kleine Hürde. Aber er kann damit umgehen, und auch die vorbeischlendernde Brigitte Stier stört sich daran überhaupt nicht.

Manager statt Seelsorger

Die 88-Jährige hat schon mehrere Schwätzchen mit Swiatkowski auf der Bank geführt: Darüber, dass es in dem Ort fast nur noch Ferienwohnungen gebe, aber kaum Wohnungen für Einheimische. Und über das Altwerden oder die Frage, warum Judas sein Verrat an Jesus nicht verziehen worden ist.

"Sein Projekt ist wichtig", urteilt die weißhaarige Dame. "Wann kriegt man denn noch jemanden von der Kirche zu packen? Pfarrer sind heute doch keine Seelsorger mehr, sondern Manager." Früher habe sie in ihrer Wohnung oft Besuch von Geistlichen bekommen.

Swiatkowski erzählt, dass er inzwischen mehr als 50 Gespräche geführt habe - über Familie, den Zweiten Weltkrieg oder Einsamkeit. Besonders nah ging ihm die Geschichte einer Touristin, die mehr als 20 Jahre lang verheiratet war. "Sie verbrachte hier mit ihrem Mann den Urlaub und wollte sich danach von ihm trennen." Sie besprachen, wie so ein Trennungsgespräch aussehen kann. Ihre Entscheidung, ihren Mann zu verlassen, habe er nicht hinterfragt. "Es ist mir wichtig, dass die Leute ihre Themen selbst setzen", sagt er. Er sehe sich als ein aktiver Zuhörer.

Auf der mobilen Kirchenbank nehmen Menschen platz, um über das Älterwerden, ihre Familie, ihre Beziehung oder auch über Mobbing zu sprechen. Die soll ein Ort der Toleranz und des Verständnis sein.

Dabei erstaunt es ihn, wie offen die Menschen seien. "Als Seelsorger bekommen wir einen riesigen Vertrauensvorschuss, das ist ein gutes Gefühl", sagt Swiatkowski. Einmal sei das Gespräch aber auch schon in die falsche Richtung gegangen. Ein Tourist habe die Kirchenbank für Hasstiraden gegen Flüchtlinge genutzt. "Ich habe ihm gesagt, dass man mit mir auch Auseinandersetzungen führen kann, die Bank aber ein Ort der Toleranz und des Verständnisses ist."

Auch Kinder und Jugendliche hätten schon bei ihm Platz genommen. Kinder nährten sich oft mit einer Mischung aus Neugier und Witzelei. "Ein bisschen Spaß gehört dazu", sagt Swiatkowski. Für Kinder sei Humor wichtig, damit sie sich trauten, ihre Probleme auf die Bank zu bringen.

"Ihr größtes Thema ist Mobbing", sagt der Seelsorger, manchmal auch verbunden mit konkreten Fragen. "Ein etwa Zehnjähriger hat mich zum Beispiel gefragt, ob es erlaubt ist, zurückzumobben, wenn man selbst gemobbt wird."

Sebastian Swiatkowski hat sich darüber geärgert, dass die Kirche aus Sicht vieler Menschen nicht greifbar sei - und im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas dagegen unternommen.

Manchmal wundert er sich, welche Erwartungen eine simple mobile Bank wecken kann: "Eine ältere Frau kam mal mit der Vorstellung auf mich zu, dass auf der Bank irgendeine Zauberei stattfinden müsse." Sie meinte, wenn ich so viel aufbaue, sollte es doch auch eine Show oder Action geben.

Die Idee für sein Projekt entwickelte sich nach und nach. Zunächst hatten ihm mehrere ältere Leute erzählt, dass sie sich einsam fühlten, aber kaum jemand von der Kirche greifbar sei. "Das hat mich geärgert", sagt Swiatkowski. Zudem fiel ihm immer wieder auf, dass die Zeugen Jehovas in der Gegend mit Ständen sehr präsent waren.

"Und ich fragte mich jedes Mal selbst: 'Wo ist die katholische Kirche?'", erzählt er. "Wir sind hier in einer touristischen Hochburg, das sollte doch was mit uns als Kirche machen." Swiatkowski, geboren in Philippsburg bei Karlsruhe, hat seine Ausbildung in der Seelsorgeeinheit "Beim Titisee" absolviert.

Die Initialzündung für sein Projekt stand ihm schließlich auf einem Speicher gegenüber - eine ausrangierte und eingestaubte Kirchenbank. Swiatkowski sagt, ihm sei plötzlich bewusst geworden, "wie viele Leute schon auf dieser Bank saßen und zusahen, wie sich Menschen das Ja-Wort gaben oder Abschied vom Leben nahmen". Und ihm war klar: Auf dieser Kirchenbank sollten wieder Geschichten lebendig werden. Er brachte die Bank zum Schreiner, ließ sie verkleinern und wieder in Schuss bringen.

Bis Ende Juli ist Swiatkowski noch als Zuhörer im Südschwarzwald unterwegs. Dann zieht er aus beruflichen Gründen nach Karlsruhe. Es gibt aber Kollegen, die seinen Platz gerne einnehmen würden, sagt er. Sie brauchen nur ein offenes Ohr - und geschickte Hände zum Aufbauen der Kirchenbank.