TV-Tipp: "Fischer sucht Frau"

Altmodischer Fernseher steht auf Tisch.
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Fischer sucht Frau"
4.10., ARD, 20.15 Uhr
Ein besonders beliebtes Handlungsmuster ist die Rückkehr eines Mannes oder einer Frau in die einstige Heimat irgendwo auf dem Land. Spätestens der zweite Mensch, der ihnen über den Weg läuft, ist die Jugendliebe. Zwar flammen alsbald die alten Gefühle wieder auf, aber vor dem Happy End muss sich die heimgekehrte Person der Liebe erst als würdig erweisen.

"Fischer sucht Frau" variiert dieses Schema immerhin auf originelle Weise. Die Titelassoziationen zum bekanntesten Kuppelformat im deutschen Fernsehen wirken zunächst jedoch unpassend: Alex (Sebastian Fräsdorf) ist zwar in der Tat auf der Suche, aber nicht nach einer Frau, sondern nach einem Käufer für sein Elternhaus. Dass er überhaupt nach vielen Jahren zum ersten Mal in das Fischerdorf zurückgekehrt ist, hat auch nichts mit Sehnsucht zu tun, schon gar nicht nach seinem Vater, dem er die Schuld für das Auseinanderbrechen der Familie gibt. Ausgerechnet an dem Tag, an dem sich Alex mit einem Freund und Geschäftspartner (Patrick Abozen) selbstständig machen will, erreicht ihn ein Bescheid des Sozialamts: Vater Fred (Uwe Rohde) hatte einen Unfall, der Sohn soll für die Pflege aufkommen. Alex ist überzeugt, dass sich die Sache flott regeln lässt, aber es stellt sich raus, dass der Alte nicht bloß vorübergehend im Rollstuhl sitzt: Fred ist querschnittsgelähmt. Weil Alex sein Erspartes für sein Start-up-Unternehmen braucht, will er das Elternhaus verkaufen und Fred in einem Heim unterbringen. Es gibt nur ein Problem: Stresund ist ein vergessenes Kaff jenseits der Endstation. Das Aussterben ist dem kleinen Ort angesichts des unübersehbaren Mangels an weiblichen Wesen im heiratsfähigen Alter gewiss, daher will auch niemand das Haus kaufen. Alex sieht nur eine Möglichkeit, wieder Leben ins Dorf zu bringen: Er muss dafür sorgen, dass Frauen nach Stresund kommen, und organisiert ein Speed-Dating für die Single-Fischer. Dummerweise kriegen die Männer das Maul nicht auf; also bringt er ihnen bei, wie man mit Frauen umgeht.

Im Grunde erzählen Judith Westermann (Buch) und Sinan Akkus (Regie) gleich drei Geschichten. Die Partnerschaftsvermittlung ist zwar so etwas wie der Motor der Handlung, aber natürlich geht es wie so oft in solchen Filmen um einen Sinneswandel: Alex muss seine wahre Bestimmung erkennen, und deshalb kommt nun Marie (Cornelia Gröschel) ins Spiel, neben der patenten Kneipenwirtin (Brigitte Janner) anscheinend die einzige Frau im Ort. Die beiden waren ein Paar, bis Alex mit 18 Freds Kutter angezündet hat und nach Hamburg geflohen ist. Marie hat immerhin doppelten Anteil an der dramaturgischen Entwicklung: Sie hat für die Website des Ortes dokumentiert, wie die Fischer das Flirten lernen; plötzlich ist der Strelsunder Internetauftritt gefragt wie nie. Und schließlich gilt es selbstredend, Vater und Sohn miteinander zu versöhnen, aber dafür müssen sie gemeinsam die Vergangenheit aufarbeiten.

Regisseur Sinan Akkus hat 2009 schon mit seinem ersten Langfilm auf sich aufmerksam gemacht: Die episodisch inszenierte deutsch-türkische Hochzeitskomödie "Evet, ich will"  handelte von gleich vier Paaren, deren Ehelichung am Einspruch der Eltern zu scheitern droht. Nach der Kinokomödie "3 Türken & ein Baby" (2015) hat er zuletzt die sehenswerte ZDF-Sonntagsromanze "Fast perfekt verliebt" (2019) gedreht. Sein jüngstes Werk zeichnet sich vor allem durch die Führung der Darsteller aus, zumal das Ensemble vorzüglich zusammengestellt worden ist. Die Fischerfiguren mögen an sich klischeehaft sein, ergeben als Gruppe jedoch ein homogenes Bild. Die Schauspieler sind kaum bekannt, machen ihre Sache aber vorzüglich: Juri Senft als maritimer Lyriker Lüthi, Stefan Lampadius als sein etwas begriffsstutziger Partner Fitje und schließlich David Simon als Alex’ alter Kumpel Ole, der aus gutem Grund noch nie was mit einer Frau hatte.

"Fischer sucht Frau" ist das erste verfilmte Langfilmdrehbuch von Judith Westermann, die zuletzt der Degeto-Reihe "Zimmer mit Stall" (mit Aglaia Szyszkowitz und Friedrich von Thun) im dritten Film, "Berge versetzen", eine verblüffende neue Seite abgewonnen hat. Beim Fischerfilm gelingt ihr auch dank Akkus’ Umsetzung das Kunststück, Sympathie für Charaktere zu wecken, die allesamt auf den ersten Blick wenig einladend wirken. Die maulfaulen Einheimischen begegnen Alex, dem "Feuerteufel", reserviert bis ablehnend, Vater Fred ist ohnehin ein mürrischer Zeitgenosse, und dass der Sohn seinen alten Herrn ins Heim abschieben will, ist auch kein feiner Zug; aber natürlich entwickeln alle Figuren ihre liebenswerten Seiten, und am Ende zeigt sich, dass Fred keineswegs Schuld war, dass Alex’ Mutter die Familie verlassen hat. Kameramann Harald Cremer sorgt parallel zu Alex’ wachsendem Wohlbehagen für zunehmend ansprechende Bilder, Komponist Tim Neuhaus hat eine stimmungsvolle schöne Musik geschrieben. Deshalb ist es umso ärgerlicher, dass an dramaturgisch wichtigen Stellen doch wieder Betroffenheits-Popsongs für Emotionen sorgen; aber darauf hatte Akkus womöglich gar keinen Einfluss. Umso lakonischer hat er viele komische Momente inszeniert, allen voran Alex’ Bemühungen, den Fischern das Flirten beizubringen; in diesen Szenen ist der Film sehr nah an den Klassikern der britischen Sozialkomödie wie "Kalender Girls" oder "Ganz oder gar nicht".