Viele wollen aus Solidarität Kippa tragen

 Kippa mit einem aufgenähtem Stern.
Foto: dpa/Fredrik von Erichsen
Nach dem Angriff auf zwei Kippa tragende Männer in Berlin werden in mehreren Städten Solidaritätsaktionen für jüdische Mitbürger vorbereitet.
Viele wollen aus Solidarität Kippa tragen
Zwei Männer mit Kippa werden auf offener Straße in Berlin geschlagen: Die Tat löst deutschlandweit Empörung und Solidarität aus. Aber auch zu kritischem Nachdenken über Antisemitismus, seinen Ursprung und den Umgang damit. In ganz Europa.

Nach dem Angriff auf zwei Kippa tragende Männer in Berlin werden in mehreren Städten Solidaritätsaktionen für jüdische Mitbürger vorbereitet. Auschwitz-Überlebende unterstützen die für Mittwoch geplante Demonstration "Berlin trägt Kippa". Auch der Freistaat Thüringen will sich unter der Überschrift "Thüringen trägt Kippa" anschließen, wie die Initiatoren am Samstag in Erfurt mitteilten. Eine Aktion ist auch in Frankfurt geplant.

Die evangelische Theologin Margot Käßmann warb dafür, in Schulen die Religionsfreiheit zum Thema einer ganzen Woche machen. Alle Jungen und Mädchen sollten nacheinander an je einem Tag eine Kippa, ein Kreuz und ein Kopftuch tragen, schrieb die ehemalige Ratsvorsitzende und Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer Kolumne für die "Bild am Sonntag". Dazu gehöre auch die Freiheit, ohne Religion zu leben.

Der Stadtkämmerer von Frankfurt am Main, Uwe Becker (CDU), kündigte an, am 14. Mai unter dem Motto "Zeig' Gesicht und Kippa" einen ganzen Tag lang eine Kippa zu tragen. Er rief dazu auf, seinem Beispiel zu folgen. Am 14. Mai 1948 wurde Israel gegründet.

Anlass der Solidaritätsaktionen ist der gewalttätige Übergriff auf zwei Kippa tragende Männer am Dienstagabend in Berlin-Prenzlauer Berg. Ein Arabisch sprechender Mann hatte sie wegen ihrer jüdischen Kopfbedeckung mit einem Gürtel angegriffen. Gegen den mutmaßlichen Täter wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Laut Polizei handelt es sich um einen 19-jährigen Palästinenser aus Syrien.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, forderte in der "Welt am Sonntag" ein entschlossenes Vorgehen der Justiz gegen den Täter. Dieser sollte "mit der vollen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen werden". Dabei sollte auch das Aufenthaltsrecht des Mannes geprüft werden. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte in derselben Zeitung, bei ausländischen Tätern die bestehenden Ausweisungsmöglichkeiten konsequent anzuwenden.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, nachdem das Bewusstsein, was Antisemitismus angerichtet habe, in Deutschland lange sehr stark gewesen sei, müsse man nun "feststellen, dass Antisemitismus wieder salonfähig wird". Als eine Ursache nannte Barley auch den Flüchtlingszustrom. In arabischen Ländern sei Antisemitismus weit verbreitet. Antisemitismus habe "in Deutschland keinen Platz", unterstrich sie.

Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, erklärte, nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas sei die Bedrohungssituation für Holocaust-Überlebende massiv gewachsen. Dies führe "zu der verstörenden Frage, ob ein zukünftiges jüdisches Alltagsleben ihrer Familien in europäischen Ländern noch vorstellbar, erwünscht und möglich ist".

Der Antisemitismus habe sich in vielen europäischen Ländern "durch das Zusammenfließen rechtsextremer und islamistischer Faktoren des Hasses gegenüber jüdischen Menschen zu einem völlig neuen Bedrohungsszenario ausgewachsen", erklärte Heubner. Zur aktuellen Empörung gehöre deshalb auch eine umfassende Analyse der Situation. Aus der jetzigen Empörungswelle dürfe keine Eintagsfliege werden.