TV-Tipp: "Wir lieben das Leben" (ZDF)

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TV-Tipp: "Wir lieben das Leben" (ZDF)
26.4., ZDF, 20.15 Uhr
Selbst Schlagerhasser werden keinen Grund finden, diesen Film nicht zu mögen: "Wir lieben das Leben" ist in gewisser Weise die Verfilmung eines über vierzig Jahre alten Chansons von Vicky Leandros; und man muss beileibe kein Fan der gebürtigen Griechin sein, um der Geschichte mit großer Anteilnahme und Gerührtheit zu folgen.

Genau genommen ist das Lied auch nur die Ausgangsbasis für das Drehbuch von Produzentin Gabriela Sperl und Koautorin Lena May Graf. Der Trennungsschmerz, von dem Leandros singt, spielt in der Geschichte jedoch durchaus eine Rolle, wenn auch bloß indirekt: Nach ihrer Scheidung versucht die Berliner Galeristin Maria Kowalke (Petra Schmidt-Schaller), die einst Kunst und Englisch studiert hat, einen Neuanfang, und bewirbt sich an einer Spandauer Schule. Tatsächlich bekommt sie den Job, allerdings im Fach Musik; Musik sei doch ebenfalls Kunst, meint der sympathische Rektor (Alexander Beyer). Für eine Benefizveranstaltung soll Maria mit einer zehnten Klasse eine Aufführung des Leandros-Klassikers "Ich liebe das Leben" einüben. Das Lied hat sie kurz zuvor noch gehört, als sie ihren Vater (Günther Maria Halmer) abgeholt hat: Während der schweigsamen Autofahrt in ihrem alten Benz haben die beiden wortlos darum gestritten, ob ihre Kassette mit Popmusik oder seine mit den alten Schlagern läuft. Die restliche Filmmusik ist allerdings flott und stellenweise recht rockig.

"Wir lieben das Leben" ist schon allein wegen der Konstellation der beiden Schauspielgenerationen sehenswert, von den liebevoll entworfenen Figuren ganz zu schweigen. Max Schellinger war sein Leben lang Berufssoldat und ist es im Grunde immer noch, weshalb er darauf besteht, dass man ihn als Oberst anspricht ("Einmal Oberst, immer Oberst"), und selbstredend vermisst er bei der heutigen Jugend Zucht und Ordnung; viele seiner meist kurzen Sätze ("Armes Deutschland") beginnen mit Formulierungen wie "Zu meiner Zeit…". Das große Geschick des Drehbuchs und erst recht der Umsetzung durch Regisseurin Sherry Hormann besteht darin, diese beiden Ebenen harmonisch miteinander zu verknüpfen: hier der alte Mann, der sich weigert, in der Seniorenresidenz auf den Tod zu warten, dort die Lehrerin, der es mit ungewöhnlichen Mitteln gelingt, ihre renitente Klasse zu bändigen. Die Szenen, in denen die Schüler ihre neue Lehrerin nicht ernst nehmen, erinnern an den Hollywood-Klassiker "Saat der Gewalt" (1955). Die Jugendlichen und ihre Dialoge ("Schwuchtel sagt man nicht, du Mongo!") sind jedoch zum Teil etwas klischeehaft geraten. Wortführer Tröte (Gustav Schmidt) sabotiert Marias Unterricht nach Kräften, während die als Streberin gemobbte Milly (Valerie Stoll) umso eifriger mitmacht. Dafür hat Hormann die jungen Darsteller ganz vorzüglich geführt. Das gilt auch für den kleinen Claude Heinrich. Er spielt Emil, den neunjährigen Bruder von Marias Schüler Moritz (Taddeo Kufus). Das Drehbuch führt das Drama, das sich hinter den Szenen mit den beiden Jungs verbirgt, nicht weiter aus, aber man kann es sich denken: Während Moritz noch Unterricht hat, versteckt sich Emil auf dem Klo, bis sich schließlich der Oberst seiner annimmt und dem Kind die Zeit mit seinen angeblichen militärischen Heldentaten vertreibt.

Die Verbindung zwischen den verschiedenen Handlungssträngen ist Maria, die nie verwunden hat, dass der Vater die Familie im Stich gelassen hat, als sie noch ein Kind war. Schmidt-Schaller und Halmer haben gar nicht so viele gemeinsame Szenen, selbst wenn der Alte anfangs mehrfach aus dem Altenheim abhaut, um bei Maria zu übernachten. Trotzdem beeinflussen sich die Ebenen gegenseitig: Der Oberst und seine Tochter können zwar beide nicht aus ihrer Haut, erkennen aber trotzdem, dass sich etwas ändern muss. Auslöserin der Mission "Wiedergutmachung" ist eine von Hildegard Schmahl mit ebensoviel Würde wie Scharfzüngigkeit verkörperte alte Dame. Sie animiert ausgerechnet den eigenbrötlerischen Schellinger dazu, den anderen Heimbewohnern neuen Lebenssinn zu geben. Maria wiederum findet nach einem Zusammenbruch Millys einen nicht minder ungewöhnlichen Weg, ihre Klasse zu einer Einheit zu verschweißen. Am Ende des Films erklingt als angemessener Höhepunkt "Ich liebe das Leben" erstmals in voller Länge, allerdings nicht in der Version von Vicky Leandros, sondern als mitreißende Aufführung in der Schule.