TV-Tipp: "Lucky Loser"

Auf einem Tisch steht ein altmodischer Fernseher
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Lucky Loser"
8.7., ZDF, 20.15 Uhr
Bei seiner Kinoauswertung hieß dieser sympathische und sehr schön gespielte Film "Lucky Loser – Ein Sommer in der Bredouille". Der Titelzusatz ist nicht verkehrt, könnte aber falsche Erwartungen wecken, selbst wenn die Handlung nach klassischer Paarkomödie klingt...

Auch nach neun Jahren "Beziehungspause" hat Autowäscher Mike (Peter Trabner) immer noch Hoffnungen, dass Ex-Freundin Claudia (Annette Frier) eines Tages zu ihm zurückkehrt; dabei ist die erfolgreiche Klinikärztin längst mit dem unsympathischen Anwalt Thomas (Kai Wiesinger) liiert. Ohnehin verdeutlicht schon der Auftakt Mikes Chancenlosigkeit, denn Nico Sommer (Buch und Regie) führt ihn als klassischen Antihelden ein: Mike geht verschlafen und sehr dickbäuchig in Unterhose zur Wohnungstür, wo ihn sein Vermieter (Gustav Peter Wöhler) über das Ende des Mietverhältnisses informiert; nun ist er obdachlos. Als die bei Claudia lebende Tochter Hannah (Emma Bading) keine Lust mehr auf die Kontrollen durch ihre Mutter hat und zu Mike ziehen will, hat er ein Problem. Sein Chef (Andreas Hoppe) überlässt ihm einen heruntergekommenen Wohnanhänger, also lädt er die Tochter zum spontanen Kurzurlaub ins "Himmelreich"; auf dem Brandenburger Campingplatz hat die Familie früher regelmäßig Urlaub gemacht. Hannah ist angesichts der "Hippiehundehütte" zwar alles andere als begeistert, macht aber das Beste draus und stellt Mike ihren Freund Otto (Elvis Clausen). Der sonst so lockere Vater ist schockiert: Dass der junge Mann ghanaische Wurzeln hat, ist ihm egal, schließlich hat er ein großes Herz, aber Otto ist dreißig; und Hannah erst 15. Als Claudia im Himmelreich nach dem Rechten sehen will, wird sie prompt Opfer eines romantischen Komplotts,  das Otto gemeinsam mit Dauercamper Ronald (Harald Polzin) einfädelt.

Das ZDF zeigt den Film als Auftakt der fünfteiligen Reihe "Shooting Stars – Junges Kino im Zweiten". Da die Produktionen in Zusammenarbeit mit der Redaktion Das kleine Fernsehspiel entstanden sind, laufen sie erst gegen Mitternacht. "Lucky Loser" ist die große Ausnahme, und das ist auch gut so. Die Tragikomödie hat allemal das Zeug zum "Fernsehfilm der Woche", selbst wenn die wenigstens Zuschauer je vom Hauptdarsteller gehört haben werden: Peter Trabner, Jahrgang 1966 und gelernter Mechaniker, ist auf dem zweiten Bildungsweg Schauspieler geworden und vorzugsweise als Improvisationskünstler tätig. Vor der Kamera steht er erst seit 2010, und das meist in Werken, die mit wenig Geld zustande kommen; er gehört unter anderem zum festen Personal von Axel Ranisch und hat die zweite Hauptrolle als unsichtbarer Gefährte in "Alki Alki" (2015) gespielt. Dank des prominenten Sendeplatzes im "Zweiten" kann nun auch ein größeres Publikum diesen vorzüglichen Schauspieler kennenlernen, dem es scheinbar mühelos gelingt, die Grundvoraussetzung aller Geschichten über Antihelden zu erfüllen: Da die meisten Menschen lieber Geschichten über Gewinner sehen, muss sich die Hauptfigur eines Films wie "Lucky Loser" die Sympathien erst verdienen.

Der Titel, im Grunde ein Widerspruch in sich (glücklicher Verlierer), stammt aus der Sportsprache und bezeichnet einen gescheiterten Qualifikanten, der als "Best of the Rest" doch noch ins Hauptfeld gelangt, weil ein gesetzter Teilnehmer ausgefallen ist. Auch Mike führt so ein richtiges Leben im falschen: Abgesehen von seiner Sehnsucht nach Claudia ist er mit sich im Reinen. Sommer verdeutlicht das mit einem flott erzählten zweiten Prolog, als Mike einen ausgelassenen Tag mit Hannah auf der Kirmes verbringt. Die Zweisamkeit beginnt mit einem Burger-mit-Pommes-Wettessen und endet vor Claudias Haustür, die sich wundert, warum Mike ein Affenkostüm trägt, und ihm prompt eine Szene macht, als sie feststellt, dass Hannah das Auto gefahren hat. Es ist gerade diese Mischung aus erwartbaren und überraschenden Momenten, die den großen Reiz des Films ausmacht; und Sommers ausgezeichnete Arbeit mit den Schauspielern. Das gilt vor allem für die durch ihre Rolle als rebellische Tochter in den "Usedom-Krimis" bekannt gewordene Emma Bading. Sie ist die perfekte Partnerin für Trabner, spielt die anfangs romantischen und später zickigen Szenen mit Elvis Clausen aber genauso gut.

Das Prädikat "Shooting Star" ist bei Regisseur Sommer ohnehin nicht ganz angebracht, denn er ist erstens nicht mehr der Jüngste (Jahrgang 1983) und hat zweitens schon einige Erfahrung. "Lucky Loser" ist nach "Silvi" und "Familienfieber" (beide ebenfalls mit Trabner) bereits sein dritter Langfilm, für seine Kurzfilme ist er vielfach ausgezeichnet worden. Größere Summen dürften seine Arbeiten kaum verschlungen haben, und auch "Lucky Loser" sieht eher preiswert aus. Die Tragikomödie ist jedoch beispielhaft dafür, wie sich auch mit kleinem Geld Großes bewerkstelligen lässt. Voraussetzungen sind ein gutes Drehbuch sowie die entsprechenden Mitwirkenden. Tatsächlich strotzt der Film nur so von Szenen, die auch dank der knackigen und mitunter für diesen Sendeplatz ungewohnt deftigen Dialoge eine einfallsreiche Mischung aus absurden Situationen (Mike und Claudia beim "Event-Dating" im Panzer) und Lebensnähe (Mike beim Kondomkauf) darstellen. Mit einem an Jump-Cuts erinnernden Montagetrick sorgt Sommer zudem dafür, dass viele Sequenzen sehr temporeich wirken. Früher hat er seine Darsteller gern improvisieren lassen, nun hat er erstmals mit Skript gearbeitet. Dass der Film trotzdem den Eindruck erweckt, die Kamera würde echten Menschen zuschauen, spricht für den guten Draht zwischen dem Regisseur und seinen Schauspielern.