TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Starke Schultern" (ARD)

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TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Starke Schultern" (ARD)
25.3., ARD, 20.15 Uhr: "Polizeiruf 110: Starke Schultern"
Es ist eine bewährte Methode, festgefahrene Abläufe innerhalb eines Teams aufzubrechen, indem man die Gruppendynamik verändert; zum Beispiel durch ein neues Mitglied. Das funktioniert natürlich auch bei einem Krimi-Ensemble. Die beste Idee von Drehbuchautor Josef Rusnak für den achten Fall des "Polizeiruf"-Teams aus Magdeburg war daher die Aufstockung des Trios um einen Psychologen. Zunächst soll Niklas Wilke (Steven Scharf) nur dafür sorgen, dass die Kommunikation zwischen Hauptkommissarin Brasch (Claudia Michelsen) und ihrem Kollegen Köhler (Matthias Matschke) endlich in vernünftigen Bahnen verläuft. Das funktioniert zwar nur bedingt, aber immerhin überdenken die beiden ihr wenig konstruktives Verhalten.

Die zwischenmenschliche Ebene von "Starke Schultern" ist also schon mal reizvoll, zumal der Vorgesetzte (Felix Vörtler) des Duos für eine zusätzliche Emotionen sorgt: Lemp muss mit Krebsverdacht zur Untersuchung ins Krankenhaus, was den mitunter kindisch anmutendem Zwist zwischen seinen Mitarbeitern in ganz anderem Licht erscheinen lässt. All’ das macht die Ermittlungen im aktuellen Fall nicht leichter: Auf das Haus des stadtbekannten Bauunternehmers Ottmann (Thomas Loibl) ist ein Brandanschlag verübt worden. Der Witwer entpuppt sich als ziemlich skrupelloser Geschäftsmann, der einen ehemaligen Kompagnon erst in den Ruin getrieben und dann seine Firma übernommen hat; nicht jedoch einen Großteil der Beschäftigten, weshalb ihn ein Arbeiter mit dem Messer attackiert hat. Als dieser Schneider (David Korbmann) Köhler niederschlägt und seine Dienstwaffe klaut, scheint sich die Lage für Ottmann zuzuspitzen, doch der Unternehmer reagiert mit aufreizender Gelassenheit. Für Lemp ist der Fall klar, erst recht, als Schneider sich stellt und die Brandstiftung gesteht; aber Brasch und Köhler glauben ihm nicht.

Bis hierher scheint "Starke Schultern" ein ganz normaler und nicht weiter aufregender Sonntagskrimi zu sein. Viel spannender wird der Film auch nicht, aber interessanter, vor allem, als sich mehr und mehr herauskristallisiert, dass Rusnak und Regisseurin Maris Pfeiffer eigentlich ein Familiendrama erzählen: Ottmann hat ein Verhältnis mit seiner Schwägerin Susan Dietrich (Ursina Lardi), die offenbar bereit ist, auch äußerlich in die Rolle ihrer verstorbenen Schwester zu schlüpfen. Damit fällt der Anschlagsverdacht automatisch auf den Ehemann (Sebastian Rudolph); aber die ganze düstere Wahrheit stellt sich erst raus, als Brasch in den Akten eines ganz anderen Falls zufällig über ein blutiges Detail stolpert. 

Dank der doppelten Gruppendynamik – hier die Familie, dort die Ermittler – sind beide Ebenen des Films sehenswert. Das gilt auch für die schauspielerischen Leistungen. Nur kurz muss sich Michelsen wie ein bockiger Teenager aufführen, dann begegnen sich Brasch und Köhler auf erwachsener Augenhöhe. Zur Verschmelzung der beiden Ebenen kommt es, als der Psychologe, der zudem einen Lehrstuhl für Kriminalistik hat, eine Familienaufstellung anbietet, um den Verbindungen zwischen Ottmann und dem Ehepaar Dietrich auf den Grund zu gehen. Dass Lemp am Schluss ankündigt, er hätte Wilke gern weiter dabei, ist ohnehin eine gute Nachricht; und das nicht nur, weil es zwischen dem Psychologen und Brasch ein wenig knistert. Rusnak, vor vielen Jahren mit Michelsen verheiratet, hat eine weitere Figur eingeführt, die ebenfalls mehr als nur eine Gastrolle spielen sollte. Zum ersten Mal taucht Köhlers Frau auf: Claire (Bettina Stucky) ist Pastorin im Magdeburger Dom; die beiden feiern über den Dächern der Stadt ihren Hochzeitstag. Und weil sich außerdem der noch mal mit dem Schrecken davongekommene Lemp Gedanken über die Dinge des Lebens macht, menschelt es in diesem Film ganz schön.