TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Mord auf Vis" (ARD)

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TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Mord auf Vis" (ARD)
25.1., ARD, 20.15 Uhr
Mitunter erzählen die Auslandskrimis der ARD-Tochter Degeto Geschichten, die auch in Deutschland spielen könnten. Das ist immer ein bisschen schade, weil das Potenzial des Schauplatzes auf sein exotisches Flair reduziert wird. Auch deshalb war der erste "Kroatien-Krimi", "Der Teufel von Split", ein besonderer Film.

Um eine aktuelle Mordserie aufzuklären, musste sich die kroatisch-deutsche Kommissarin Branka Marić (Neda Rahmanian) intensiv mit der Geschichte ihres Landes befassen. Auch in der dritten Folge, "Mord auf Vis", spielt der Krieg zwischen Kroatien und Serbien Anfang/Mitte der Neunziger eine ebenso entscheidende Rolle wie die ungebrochene Bewunderung vieler Kroaten für die Ustaša-Faschisten, die einst enge Verbündete der deutschen Nationalsozialisten waren: Auf der Adria-Insel Vis sind angeblich die vor vielen Jahren verschollenen Ustaša-Münzen aufgetaucht, eine Art Heiliger Gral für alle Neofaschisten. Zwei frühere Kriegskameraden, die sich für den Schatz interessieren, werden jedoch erschossen. Der alte Mirko (Albert Kitzl), der seinen Lebensabend vor einer Kneipe am Hafen verbringt, will einen Glatzkopf mit stechenden blauen Augen gesehen haben. Tatsächlich stellt sich raus, dass dieser Zoran Horvath (Michael Rotschopf) keineswegs der Mörder, sondern das nächste Opfer ist. Täter ist er allerdings auch; und nun nimmt die Handlung eine Dimension an, die im Verlauf des Films zu Recht als grauenvoll bezeichnet wird.

"Mord auf Vis" stammt vom gleichen Team wie die beiden anderen Kroatien-Krimis: Christoph Darnstädt schrieb das Buch, Michael Kreindl führte Regie. Auch beim gut zusammengestellten Ensemble hat sich nichts geändert, selbst wenn beispielsweise Andreas Guenther und Aleksandar Jovanovic als die beiden Männer in Brankas Liebesleben nicht viel zu tun haben. Die interessanteste Rolle des Films spielt ohnehin Benjamin Sadler, denn Jure Poković, die tragische Figur der Geschichte, ist nicht nur der Mörder, wie Darnstädt und Kreindl gleich zu Beginn preisgeben, sondern auch der Leiter der Polizei von Vis; und außerdem Vater der hübschen Ivena (Laura Berlin), die er offensichtlich über alles liebt. Dass dies keineswegs selbstverständlich ist, verrät der Film erst später, und dann erschließt sich auch der ebenso verstörende wie filmisch faszinierende Prolog: Die Kamera fliegt über eine Küstenlandschaft, die Bilder reisen gut zwanzig Jahre zurück in die Vergangenheit und verlieren dabei ihre Farbe. Wellen brechen ans Ufer, als könne nur ein Opfer sie besänftigten, und tatsächlich scheint ein vollbärtiger Mann bereit zu sein, dieses Opfer zu bringen: Er ist drauf und dran, einen Säugling in die Fluten zu werfen. Dann folgt ein Schnitt zurück in die sonnendurchflutete Gegenwart: Poković steht gemeinsam mit der Tochter am Grab seiner Frau, die bei Ivenas Geburt gestorben ist.

Auf diese Weise hat "Mord auf Vis" quasi zwei Prologe, deren Kontrast typisch für den Film ist: Hinter den sorgsam gestalteten schönen Bildern (Kamera: Stefan Spreer) lauern Abgründe. Die Hauptfigur ist ebenfalls davon betroffen, was Darnstädt die Gelegenheit gibt, auch andere Seiten seiner sonst so überlegenen Heldin zu zeigen: Branka war lange überzeugt, dass ihr Bruder im Bürgerkrieg gefallen ist, aber dann tauchte er in "Der Teufel von Split" wie aus dem Nichts auf, rettete ihr Leben und verschwand wieder. Diesmal gibt es ein echtes Wiedersehen, das zu den bewegendsten Momenten des Films gehört. Die Begegnung bleibt zwar eine Episode, ist aber anders als die Szenen mit Brankas Mutter (Adriana Altaras) organisch in die Handlung integriert, die wiederum von der Frage lebt, warum der unzweifelhaft als Sympathieträger eingeführte Poković zum mehrfachen Mörder wird. Die Faszination dieser Figur resultiert aus der Widersprüchlichkeit, mit der Sadler den Polizeichef verkörpert, und das nicht nur wegen der Morde: Der Mann gibt sich cool und gelassen, ist aber offenkundig schwer krank; und von Hass zerfressen. Michael Rotschopf ist Sadler ein nicht minder interessanter Gegenspieler, zumal ihre Figuren für den Kontrast der beiden Einführungsszenen stehen. Der Schauspieler hat in vielen Rollen (etwa als Kripochef in der ZDF-Krimireihe "Stralsund") den ebenso arroganten wie eleganten und attraktiven Widerpart der jeweiligen Hauptfigur verkörpert. Hier ist er ähnlich wie zuletzt im dritten Film der ARD-Reihe "Harter Brocken" ("Der Bankraub") mit Glatze und leuchtend blauen Kontaktlinsen ein reichlich vierschrötiger Schurke, den Branka zu allem Überfluss vor dem Mörder schützen muss. Dritte im Bunde der Gastdarsteller ist Laura Berlin, die in jeder Hinsicht attraktive Akzente setzt: Pokovićs Tochter führt ein Hotel, in dem nicht nur Horvath, sondern auch Branka und ihr Kollege Emil (Lenn Kudrjawizki) absteigen; mit beiden führt Iwena in zwei schön gespielten Szenen Sliwowitz-selige Gespräche. Für ein kleines Amüsement sorgen die Geplänkel zwischen Branka und der neuen Rechtsmedizinerin (Sarah Bauerett), die es gar nicht lustig findet, dass die medizinisch vorgebildete Kommissarin alles besser weiß. Ohnehin zeigt sich im dritten Film erneut, wie geschickt das multikulturelle Ermittler-Ensemble zusammenstellt ist. Ungewöhnlich ist schließlich auch der zweifache Schluss, bei dem sich Branka einen Satz Mirkos beruflich wie auch privat zu eigen macht: "Manchmal muss man die Wahrheit begraben, wenn das Leben weitergehen soll."