TV-Tipp: "Charlotte Link: Die Betrogene" (ARD)

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TV-Tipp: "Charlotte Link: Die Betrogene" (ARD)
4.1., ARD, 20.15 Uhr
Charlotte Link gehört zu jenen Bestseller-Autorinnen, deren Namen eine Marke ist. Das macht sich natürlich auch das Fernsehen gern zunutze. In den letzten Jahren haben ARD und ZDF mit den verschiedenen Adaptionen allerdings nicht viel Glück gehabt.

Gerade Zweiteiler wie "Das Echo der Schuld" oder "Das andere Kind" waren mit 180 Minuten schlicht zu lang. Im letzten Jahr ist der ARD-Tochter Degeto mit "Die letzte Spur" nicht zuletzt dank der schauspielerischen Leistungen ein zwar nicht herausragender, aber immerhin sehenswerter Krimi gelungen. Das gilt auch für "Die Betrogene", zumal der Film in den beiden Hauptrollen mit der vergleichsweise fragilen Peri Baumeister und dem meist auf eher grobschlächtige Charaktere abonnierten Dirk Borchardt eine interessante Kombination zu bieten hat. Baumeister spielt die Scotland-Yard-Ermittlerin Kate Linville, die nach der Ermordung ihres Vaters Richard in die alte Heimat Liverpool zurückkehrt. Der pensionierte Polizist ist auf grausame Weise erstickt worden. Eigentlich will Kate nur die Bestattung organisieren und den Hausstand auflösen, aber dann bleibt sie, um den Mörder zu suchen, weil sie Richards Nachfolger, Chief Inspector Caleb Hale, ein trockener Alkoholiker (nicht der erste in Borchardts Filmografie), für unfähig hält.

Leider hat Drehbuchautor Stefan Wild im Zuge seiner Adaption einen kleinen Verrat an der Vorlage begangen: Bei Link ist die Heldin eine Frau, die den Kontakt zu anderen Menschen meidet. Umso mehr überhöht sie ihren Vater, den sie geradezu vergöttert. Im Film ist davon kaum noch etwas übrig. Die Idealisierung Richards kommt kurz bei Kates Trauerrede zur Sprache, in der sie auch davon erzählt, wie tapfer sich ihr Vater um seine todkranke Frau gekümmert hat; aber die Fallhöhe ist eine ganz andere, weshalb auch der Titel "Die Betrogene" nicht mehr recht passt. Er bezieht sich auf Kate, die erkennen muss, dass ihr Idol nicht der Mann war, für den sie ihn gehalten hat: Richard hatte ein Verhältnis mit Melissa, der besten Freundin seiner Mutter, und hätte die Familie verlassen, wenn seine Frau nicht ohnehin gestorben wäre. Im Buch bricht für Kate daraufhin die Welt zusammen; sie fühlt sich hintergangen und um ihr gesamtes bisheriges Dasein betrogen. Links weibliche Hauptfiguren sind ja ohnehin oft gebrochene Frauen; vielleicht wollten die Verantwortlichen vermeiden, dass Kate als Figur allzu düster gerät. Das ist auch deshalb schade, weil Peri Baumeister allein aufgrund ihrer Ausstrahlung in der Lage wäre, selbst als Figur mit Schattenseiten noch Sympathien zu wecken.

Ein weiteres Merkmal der Bücher sind die falschen Fährten, mit denen die Autorin gern arbeitet. Zumindest diesen Teil des Romans hat auch der Film übernommen: Eine kurze Rückblende zeigt drei Kinder, die über eine Wiese rennen, während im Hintergrund ein rotes Auto um eine Kurve biegt; es ist klar, was nun passieren wird, aber der Film reicht später auch noch den anschließenden Unfall nach. Bevor er den alten Linville zu Tode foltert, zeigt ihm der Mörder ein kleines rotes Spielzeugauto. Kurz darauf stirbt Melissa einen ganz ähnlichen Tod; bei ihr hat der Mörder das Auto vor der Wohnungstür deponiert. Parallel zu diesen Ereignissen erzählt Wild von Stella (Julia Brendler), die am Geburtstag ihres kleinen Sohnes ungebetenen Besuch bekommt: Die leibliche Mutter des Kindes und deren Freund schauen vorbei. Das Pärchen ist Regisseur Andreas Linke ("Baron Münchhausen") allerdings allzu schlicht geraten: Hanna Hilsdorf verkörpert die junge Frau wie einen Klischeejunkie aus dem Fernsehfilm, Daniel Sträßer ihren Freund Dennis als typischen Kinopsychopathen mit fettigen Haaren, dessen Lächeln wie ein Haifischgrinsen aussieht. Die beiden verfolgen Stella und ihre Familie bis in den Urlaubsort und wollen offenbar den kleinen Sohn entführen, verlieren aber später das Interesse und begnügen sich damit, die drei in eine Scheune einzusperren, nachdem Dennis Stellas Mann in den Bauch geschossen hat. Für die eigentliche Geschichte ist das im Grunde alles unerheblich; aber Dennis, ein kurz zuvor entlassener Gewalttäter, gehört zu den Personen, die Richard ins Gefängnis gebracht hat, und gilt umgehend als Hauptverdächtiger.

Viel interessanter als diese Nebenebene ist die Beziehung zwischen Kate und Caleb, zumal ihre Figuren – natürlich auch dank Baumeister und Borchardt – deutlich mehr Zwischentöne aufweisen. Es gibt einen winzigen Moment, in dem sogar eine Affäre möglich wäre, als Kate Trost sucht, aber ansonsten sind die gemeinsamen Szenen von unterschwelliger und gelegentlich auch ausbrechender Aggressivität geprägt: weil bei dem Kollegen nach Ansicht Kates das Feuer erloschen ist, seit er nicht mehr trinkt; und wohl auch, weil sie ein Ventil für ihren Weltschmerz braucht. Hale revanchiert sich mit einem (allerdings etwas übertrieben gespielten Ausbruch), weil sie sich nicht aus den Ermittlungen raushält, darf aber auch den schönsten Satz des Films sagen: "Man kann nicht in alle Falten einer Seele schauen." Neben diesen beiden gibt es eine weitere interessante Figur: Caleb Hales Mitarbeiterin Jane (Céci Chuh) hütet ein überraschendes Geheimnis.

Regisseur Linke hat zuletzt mehrere Folgen der ZDF-Reihe "Die Toten vom Bodensee" inszeniert, dabei aber immer mehr vernachlässigt, dass der Schauplatz ganz entscheidenden Anteil an der Atmosphäre der Filme hat. Auch "Die Betrogene" ist im Grunde ein ganz gewöhnlicher TV-Krimi, der ebenso gut in Hamburg oder Berlin spielen könnte. Eine psychologische Tiefe, wie sie die Link-Leser an den Romanen schätzen, kommt kaum auf. Fesselnd ist der Film vor allem wegen Baumeister und Borchardt, richtig packend aber ist er nicht, auch wenn sich die mitunter etwas zu laut und unpassend hämmernde Musik (Chris Bremus) alle Mühe gibt, ganz viel Thriller-Spannung herzustellen. Die stellt sich jedoch selbst dann nicht ein, als die Heldin am Schluss in einer unterirdischen Schleuse zu ertrinken droht. Völlig überflüssig ist zudem eine Nachricht, die sie zu Beginn des finalen Akts auf dem Anrufbeantworter des Kollegen hinterlässt; die Zusammenfassung klingt, als gelte sie nicht Caleb, sondern Zuschauern, die gerade auf dem Klo waren. Die Integrierung der einheimischen Schauspieler ist allerdings wie schon bei "Die letzte Spur" (ebenfalls eine Produktion von UFA Fiction) gut gelungen, auch akustisch; das gilt ja nicht unbedingt für alle Degeto-Filme, bei denen die Dialoge zum Teil synchronisiert werden müssen.