Herbert Henzler: "Hoffe und vertraue"

Reformationsbotschafter Herbert Henzler, ehemaliger Direktor bei McKinsey
Foto: Jens Schulze
Reformationsbotschafter Herbert Henzler, ehemaliger Direktor bei McKinsey
Herbert Henzler: "Hoffe und vertraue"
Interview mit Unternehmensberater Herbert Henzler
Die evangelische Kirche feiert 500 Jahre Reformation - und der Unternehmensberater Herbert Henzler feiert mit. Weil das Jubiläum ein Grund sei, dem Lauf der Welt um Gottes Willen zu vertrauen und keine Angst vor der Zukunft zu haben.

Herr Henzler, die evangelische Kirche feiert 500 Jahre Reformation. Warum feiern Sie mit?

Herbert Henzler: Weil das Reformationsjubiläum eine absolut bedeutsame Sache ist. Die große Errungenschaft war, dass man dem Volk aufs Maul geschaut hat. Martin Luther hat erkannt, dass man die Menschen nur erreichen kann, wenn man sie in der richtigen Sprache anspricht: nämlich in der, in der sie sich untereinander austauschen. Ich war in vielen Ländern unterwegs, zuletzt in China - und ich habe absolut nichts verstanden. Da kommt man sich total hilflos vor. Seitdem lerne ich Mandarin.

Welches Signal geht von "500 Jahren Reformation" aus?

Henzler: Hoffe und vertraue darauf, dass die Welt sich weiterentwickeln wird! Sie hat sich auch in den letzten 500 Jahren entwickelt, meistens unvorhergesehen entwickelt. Es gibt eine höhere Ordnung im Glauben. Darauf vertraue ich. Das Vertrauen hilft gegen Angst. Wenn ich heute lese, was die Menschen für Angst haben, weil die Engländer aus der EU rausgehen. So what, dann gehen sie halt! Die Welt wird davon nicht untergehen.

Wo ist heute Reformation nötig?

Henzler: Das ist für mich eindeutig: Wir in Europa haben ein Pro-Kopf-Einkommen, das etwa dreißigmal so hoch ist wie das der Menschen in Afrika. Und das sind unsere Nachbarn! Anders ausgedrückt: Wir haben 500 Millionen Menschen, denen es relativ gut geht, und wir haben fast doppelt so viele um uns herum wohnen, denen es schlecht geht. Wir müssen überlegen, was man dagegen machen kann!

"Die Kirche braucht heute auch ein größeres Selbstvertrauen."

Welche Veränderungen braucht die evangelische Kirche?

Henzler: Sie muss sich zurückbesinnen auf das Gemeinschaftserlebnis. Denn das ist Gemeinde: Wenn Menschen zusammenkommen und im Glauben vereint sind, wenn sie das Bibelwort hören und interpretieren. Die Kirche braucht heute auch ein größeres Selbstvertrauen. Ich sag’s jetzt als Manager: Wenn wir jedes Jahr etwa ein Prozent unserer Mitglieder verlieren, dann darf ich das nicht hinnehmen. Ich muss eine starke Botschaft dagegensetzen, die diesen Trend stoppt.

Haben Sie je daran gedacht, aus der Kirche auszutreten?

Henzler: Nein, das ist mir nie in den Sinn gekommen. Aus der Kirche auszutreten, weil man Kirchensteuer spart, weil die Nachbarn auch austreten oder weil man nicht mehr so oft in die Kirche geht - das finde ich zu einfach. Und die Alternativen überzeugen mich nicht.

"Ich bin in einem kleinen Dorf in Württemberg aufgewachsen und habe erlebt, wie wichtig es ist, aus dem engen Behütetsein auszubrechen."

Was bedeutet Ihnen Freiheit?

Henzler: Sehr viel. Ich bin in einem kleinen Dorf in Württemberg aufgewachsen und habe erlebt, wie wichtig es ist, aus dem engen Behütetsein auszubrechen. Ich bin weggezogen - erst in die Kreisstadt, dann nach Stuttgart, nach Freiburg und weiter in die Welt. Ich war ein Reisender, ich hab’s nie sehr lange ausgehalten.

Hilft ein freier Geist in der Unternehmensberatung?

Henzler: Sehr. Ich gestehe mir diese Unabhängigkeit zu und nutze sie. Sie kommt bei meinen Mandanten gut an. Viele Unternehmer, die ich berate, fühlen sich abhängig vom Markt, von den Gewerkschaften, von der Presse und vielem mehr.

"Der Glaube gibt einem das untrügliche Gefühl dafür, was richtig ist."

Und der Glaube - hilft er auch weiter?

Henzler: Der Glaube gibt einem das untrügliche Gefühl dafür, was richtig ist. Wir leben in einer Zeit, in der viel diskutiert wird. Auch in Unternehmen redet man ewig und kommt nicht zum Schluss. Das habe ich x-mal erlebt. Und da kann einem der Glaube schon bei Entscheidungen helfen.

Herbert Henzler im Gespräch: "Die Kirche braucht größeres Selbstvertrauen"

Taugt Nächstenliebe als Führungsstil?

Henzler: Dazu zwei Erlebnisse. Das eine: Zwei Kollegen haben mich und das Unternehmen hintergangen. Ich habe ihnen gesagt: Das war’s jetzt. Ihr müsst das Unternehmen binnen 24 Stunden verlassen. Das andere Erlebnis: Ich habe einen Mitarbeiter dabei ertappt, irgendeinen Blödsinn zu machen, der verboten ist. Ich habe ihn mit einer gelben Karte rauskommen lassen. Zwischen diesen beiden Polen hat sich mein Führungsstil bewegt.

"In Kindern sehen wir auch die große Kraft der Erneuerung."

Können Sie als Manager vergeben?

Henzler: Ich habe in vielen Fällen sehr intensiv darüber nachgedacht, ob mir ein bestimmter Fehler auch hätte passieren können. Und meistens bin ich zu einem sehr gnädigen Urteil gekommen. Dann vergebe ich in einer Weise, die an Vergessen grenzt.

Wer ist Gott für Sie?

Henzler: Gott ist für mich der Inbegriff unseres Wesens, unseres Seins. Der Schöpfer einer Ordnung, auf die man vertrauen kann. Auf die ich mich im täglichen Leben zum Beispiel im Gebet beziehe, aber auch in Momenten der Trauer.

"Wenn du ein Kind siehst, hast du Gott auf frischer Tat ertappt", hat Martin Luther gesagt.

Henzler: Ja, in ihnen zeigt sich Gottes Werk. In Kindern leben wir weiter, in Kindern erkennen wir unsere eigenen Hoffnungen und Wünsche wieder. In Kindern sehen wir auch die große Kraft der Erneuerung. Das ist Gottes Werk. Das ist ein Wunder.