Alternsforschung kann von Luther lernen

Menschen zeigen im hohen Alter vielfach ein umfassendes und differenziertes Wissen, zugleich können wir eine weitere Vertiefung der Gefühlswelt feststellen
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Menschen zeigen im hohen Alter vielfach ein umfassendes und differenziertes Wissen, zugleich können wir eine weitere Vertiefung der Gefühlswelt feststellen.
Alternsforschung kann von Luther lernen
In Luthers "Von der Freiheit eines Christenmenschen" (1520) gibt es gute Tipps zum Älterwerden - zum Beispiel, dass körperliches und seelisch-geistiges Altern sehr unterschiedliche Prozesse sind. Aber das ist noch längst nicht alles.

Der Reformator Martin Luther (1483-1546) hat nach Ansicht des Heidelberger Gerontologen Andreas Kruse gute Tipps für das Älterwerden. So sei Luthers Wort über die "zweierlei Natur" des Menschen aus seiner Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" (1520) eine wichtige Metapher, sagte der Wissenschaftler dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Für die Alternsforschung ist die Erkenntnis zentral, dass körperliches Altern einerseits, seelisch-geistiges Altern andererseits sehr unterschiedliche Prozesse sind."

Luthers Gedanken über die "geistliche und leibliche Natur" seien eine wichtige Anregung, die seelisch-geistige Dimension des Menschen stärker zu beachten: "Denn hier finden sich wirkliche Potenziale des Alters für das Individuum und die Gesellschaft."

Während das körperliche Altern mit Verlusten verbunden sei, die Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit mit sich bringen könnten, bedeute das seelisch-geistige Altern eher einen Gewinn: "Menschen zeigen im hohen Alter vielfach ein umfassendes und differenziertes Wissen, zugleich können wir eine weitere Vertiefung der Gefühlswelt feststellen", erläuterte Kruse, der stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrats ist. Zudem sei die Resilienz, die seelische Widerstandsfähigkeit in Belastungssituationen, bei alten Menschen oftmals stark ausgeprägt.

Ein weiterer Aspekt, den Luther deutlich mache, sei die Verantwortung des Menschen für sich selbst und andere, sagte der Gerontologe. Für den Reformator sei ein Christenmensch sowohl ein "freier Herr über alle Dinge" als auch ein "dienstbarer Knecht aller Dinge". So führe er Selbstverantwortung und Mitverantwortung zusammen, erläuterte Kruse: "Und dies ist ein wichtiges Motiv im Alter." Die Alternsforschung müsse lernen, das Bedürfnis älterer Menschen nach Autonomie und Freiheit sowie nach Integration und Teilhabe zu erkennen.

Mitverantwortung meine im Alter auch, nachfolgende Generationen zu unterstützen und so in den nachfolgenden Generationen symbolisch fortzuleben, betonte der Wissenschaftler. "Das kann man kaum besser ausdrücken als in der Schrift 'Von der Freiheit eines Christenmenschen'."