Verbände fordern Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan

Verbände fordern Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan
Die Hälfte aller Anträge von Schutzsuchenden aus Afghanistan wird mittlerweile abgelehnt. Dabei sei die Sicherheitslage in Afghanistan, so Flüchtlings- und Wohlfahrtsverbände, unberrechenbar.

Flüchtlings- und Wohlfahrtsverbände fordern den sofortigen Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan. Die Verbände, darunter Pro Asyl, Amnesty International, die Diakonie Deutschland und der Paritätische Gesamtverband, stellten am Dienstag in Berlin eine gemeinsame Erklärung vor. Anlass ist die nach ihren Angaben am Mittwoch bevorstehende sechste Sammelabschiebung von afghanischen Flüchtlingen. Die Verbände kritisierten auch die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration. Sie befürchten, dass nach fehlerhaften Asylverfahren abgelehnte Afghanen abgeschoben werden und dadurch ihr Leben aufs Spiel gesetzt wird.

Diakonie-Vorstand Maria Loheide sagte: "Abschiebungen nach Afghanistan sind verantwortungslos." Sie forderte die Bundesregierung auf, die bevorstehende Sammelabschiebung zu stoppen und auf weitere zu verzichten. Die Bundesregierung könne für das Überleben der Abgeschobenen nicht garantieren, sagte Loheide.

Neue Informationen über die gefährliche Lage in Afghanistan würden in den Verfahren nicht berücksichtigt, kritisierten die Verbände. Trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage im Land würden immer mehr Asylbewerber abgelehnt. Während die Schutzquote für Afghanen vor zwei Jahren noch 78 Prozent und im vergangenen Jahr 60 Prozent betrug, seien in den ersten Monaten dieses Jahres mehr als die Hälfte aller afghanischen Asylbewerber abgelehnt worden (53,4 Prozent), sagte Günter Burkhardt von Pro Asyl. In vielen Bescheiden werde auf Fluchtalternativen im Inland verwiesen.

Taliban kontrollieren Verbindungswege

Die Verbände bezweifeln, dass es in Afghanistan inländische Fluchtalternativen gibt. Die Taliban seien auf dem Vormarsch. Die Sicherheitslage sei so unberechenbar, dass auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen eine Unterscheidung nach sicheren und unsicheren Gebieten ablehne. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und die meisten Bundesländer verweisen hingegen darauf, dass es im Land sichere Regionen gibt.

Der afghanische Journalist und Kriegsreporter Ramin Mohabat berichtete, es sei für einen Rückkehrer unmöglich, sich als Fremder in einem der als sicher geltenden Gebiete niederzulassen. Reisen durchs Land seien nur in traditioneller Kleidung und mit Bart möglich. Außerhalb der Städte kontrollierten die Taliban die Verbindungswege.

Der Verbände kritisierten auch die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration. Zahlreiche Verfahren seien mangelhaft. Das Bundesamt hatte vor kurzem nach einer internen Überprüfung von positiven Bescheiden zahlreiche fehlerhafte Bescheide eingestehen müssen. Hintergrund der Überprüfung war der Fall des rechtsradikalen Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als Syrer ausgegeben und sogenannten subsidiären Schutz erhalten hatte. Günter Burkhardt von Pro Asyl forderte, die Überprüfungen der Verfahren auch auf Negativentscheidungen auszuweiten.

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Herbst ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan unterzeichnet, dass die Abschiebung per Sammelcharter erlaubt. Im Dezember 2016 hatte es unter Protesten die erste Rückführung unter Zwang gegeben. Nach Angaben von Pro Asyl wurden mit den bisherigen fünf Sammelflügen knapp 100 afghanische Männer abgeschoben. Die Abschiebungen in das lange noch nicht befriedete Land sind auch zwischen dem Bund und einigen Ländern umstritten.