TV-Tipp: "Taxi" (20.15 Uhr, Arte)

TV-Tipp: "Taxi" (20.15 Uhr, Arte)
TV-Tipp für Freitag, 19. Mai: "Taxi" (20.15 Uhr, Arte)
Sehenswerte Bilder in kallbunt über eine Taxifahrerin auf der Suche nach sich selbst, die aber nicht ganz an die Buchvorlage herankommen.

Sparsamer kann ein Titel kaum sein, nichtssagender allerdings auch nicht: "Taxi" könnte für alles Mögliche stehen. Aber natürlich geht es nicht um das Auto, sondern um die Frau, die es fährt. Gewisse Parallelen zum Klassiker "Taxi Driver" lassen sich kaum vermeiden: Beide Filme handeln von einem unsteten Menschen, der seinen Platz im Leben sucht. Martin Scorseses Antiheld Travis Bickle war genauso alt und genauso ziellos wie Alex Herwig, Hauptfigur des 2008 erschienenen Romans "Taxi" von Karen Duve, die auch das Drehbuch (ihr erstes und bislang einziges) geschrieben hat. Alex ist eine typische Duve-Figur: eine junge Frau, die mit sich selbst nichts anfangen kann und deren Selbstbild an Selbsthass grenzt. Duve hat die Handlung in der ersten Hälfte der Achtziger angesiedelt. Das verleiht den Erzählungen autobiografische Züge, weil die Autorin in dieser Zeit ebenfalls Taxi gefahren ist, und passt gut zur damals verbreiteten "No Future!"-Stimmung der Jugendlichen; auch wenn die Parole aus dem Punk stammte und Alex (Rosalie Thomass) alles andere als Punk ist. Das Mädchen aus bürgerlichem Elternhaus mit unerträglich oberflächlichem Popperbruder (Jannik Schümann) und furchtbarer Nervensägemutter (Leslie Malton) hat den Eltern zuliebe eine Ausbildung bei einer Versicherung begonnen, sie aber bald wieder abgebrochen. Nun fährt sie Taxi; ebenfalls typisch für jene Jahre, auch wenn ihr Wunsch, die Nachtschichten zu übernehmen, eher ungewöhnlich ist.

Alex’ Leben plätschert zwar vor sich hin, ist jedoch alles andere als ereignislos, schließlich hat sie ständig mehr oder weniger unangenehme Erlebnisse mit ihren Fahrgästen. Für einen Film ist das jedoch zu wenig, zumal die Episoden keinen Handlungsfluss ergeben, weshalb Duve und Regisseurin Kerstin Ahlrichs die Selbstfindung als Beziehungsdrama erzählen. Alex fängt was mit dem Kollegen Dietrich an, aber was im Buch ein emotional komplexes Verhältnis ist, weil sie Dietrich eigentlich nicht mag, wird im Film auf praktische Aspekte reduziert: Dietrich vermittelt ihr eine Wohnung, und weil er im gleichen Haus lebt, ergibt sich der Rest von selbst. Als er später mutmaßt, sie habe eine Affäre mit dem gemeinsamen Chef, beendet er die Liaison.

Viel interessanter ist die zweite Beziehungsebene, zumal den beiden Macherinnen ein echter Besetzungsknüller gelungen ist: Gemeinsam mit Duve ist Ahlrichs, die zuvor neben einigen Serienfolgen fürs ZDF das sehenswerte Bauernhofdrama "Sieh zu, dass du Land gewinnst" (2007) gedreht hatte, eigens nach New York geflogen, um "Game of Thrones"-Star Peter Dinklage für die Rolle von Alex’ großer kleinwüchsiger Liebe zu gewinnen. Der Einsatz hat sich gelohnt: Die Szenen mit Thomass und Dinklage gehören mit Abstand zu den gelungensten Momenten des Films. Davon abgesehen ist die Hauptdarstellerin mit ihrer positiven Ausstrahlung viel zu liebenswert und attraktiv, weshalb sich die behauptete Selbstablehnung der im Buch notorisch schlecht gelaunten Alex trotz der ohnehin überflüssigen Off-Kommentare nicht recht nachvollziehen lässt. Mit Ende zwanzig (zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 2015) ist Thomass ohnehin etwas zu alt für die Rolle.

Auch die Verortung der Handlung in den Achtzigern erschließt sich nicht recht. Das Zeitkolorit beschränkt sich im Wesentlichen auf Äußerlichkeiten wie Frisuren, Kleidung, Autos, die spartanische Einrichtung (Matratze auf Euro-Paletten) und eine knallbunte Farbgebung. Das entsprechende Lebensgefühl will sich jedoch nicht einstellen, sodass die Geschichte genauso gut in der Gegenwart hätte spielen können. Als Alex eine Party ihres Bruders besucht und sich entsprechend zurechtmacht, sieht Thomass aus wie Kim Wilde, aber ansonsten wirkt das auffällige Make-up buchstäblich zu dick aufgetragen. Wenn man genau hinschaut, fällt zudem auf, dass es wohl immer wieder die gleichen alten Autos sind, die irgendwo herumstehen oder am Ende wie auf einer Perlenschnur aufgereiht über eine Elbbrücke fahren. Das hochtrabende wahlweise pseudophilosophische oder -soziologische Geschwätz der männlichen Taxikollegen (Robert Stadlober, Tobias Schenke, Antoine Monot, Jr.), überwiegend Studenten oder Künstler, ist allerdings ausgesprochen gut getroffen. Interessant ist auch die Entscheidung, auf zeitgenössische Songs zu verzichten und stattdessen Lieder von Michel van Dyke zu verwenden, die ebenso wie die eigentliche Filmmusik gut zur Stimmung passen.

Sehenswert ist "Taxi" nicht zuletzt wegen der Bilder: Kamerafrau Sonja Rom hat für tolle Nachtaufnahmen gesorgt und den Film als Liebeserklärung an Rosalie Thomass gestaltet; vor allem, wenn sie raucht. Für zusätzlichen Reiz sorgen die diversen Gastdarsteller. Die Stimme der engelsgeduldigen "Zentrale" gehört unverkennbar Katharina Thalbach. Die weiteren Gäste haben nur kurze Fahrgastauftritte, darunter Armin Rohde und Eisi Gulp als betrunkene Beifahrer sowie Henning Peker als Zirkusdompteur, dem Alex kurzerhand das Äffchen klaut. Kurz drauf verursacht das Tier einen spektakulär gefilmten Unfall, der der Taxifahrerin endlich die Augen öffnet.