TV-Tipp: "Katharina Luther" (ARD)

TV-Tipp: "Katharina Luther" (ARD)
22.2., ARD, 20.15 Uhr: "Katharina Luther"
Die Idee ist ebenso ungewöhnlich wie reizvoll: Anlässlich des Luther-Jahres zeigt die ARD einen Film, in dem der große Reformator bloß die wichtigste Nebenrolle einnimmt. Tatsächlich taucht Martin Luther erst auf, als seine Thesen schon einige Jahre alt sind; der Reformationsprozess ist längst im Gang. Titelfigur Katharina von Bora, von Karoline Schuch sehr glaubwürdig verkörpert, ist eine seiner Anhängerinnen.

Die junge Frau ist als Kind vom Vater in ein Kloster gegeben worden, weil der karge Hof nicht alle Esser ernähren konnte. Dank der revolutionären Gedanken Luthers erkennt sie, dass sie ihr Leben keineswegs gottgefällig führt, sondern es hinter den Klostermauern im Gegenteil verschwendet. Bei Nacht und Nebel flieht sie mit einigen anderen Nonnen nach Wittenberg, nicht ahnend, dass die Welt sie keineswegs mit offenen Armen erwartet: Für die gottesfürchtigen einfachen Menschen haben sie ihr Gelübde gebrochen; sie werden wie Aussätzige behandelt. Außerdem waren alleinstehende Frauen in der damaligen Gesellschaftsordnung nicht vorgesehen; finden die Nonnen keinen Mann, bleibt ihnen womöglich nur das Freudenhaus. Während ihre Freundin Ave (Mala Emde) die Sicherheit einer Ehe vorzieht, zieht es die stolze Katharina vor, sich auf eigene Faust durchzuschlagen, zumal sie in Luthers Schriften mehr als nur das theologische Potenzial sieht: Wenn der Mann in der Lage ist, die Kirche zu reformieren, warum dann nicht auch die Gesellschaft?

Das historische Drama hat durchaus romantische Momente und wird stellenweise zu einer Hommage an die Liebe zwischen zwei großen Persönlichkeiten. Trotzdem hat Drehbuchautor Christian Schnalke darauf verzichtet, die sich anbahnende Beziehung zwischen dem etwas weltfremd wirkenden Theologieprofessor (Devid Striesow) und der klugen Ex-Nonne als typische Fernsehfilmromanze zu erzählen. Luthers tiefe Liebe zu seiner Frau ist belegt, zumal sich beide gegenseitig versichern, sie wollten das ganze Leben leben und nicht nur den spirituellen Teil, aber Schnalke und Regisseurin Julia von Heinz betten die Beziehung in einen eher sachlich-symbiotischen Rahmen: Während der Reformator wie besessen in seiner Arbeit aufgeht, regelt seine Frau die weltlichen Dinge. Sie macht aus der Klosterruine, in der Luther haust, ein behagliches Heim, sorgt dafür, dass er für seine Tätigkeit als Lehrer angemessen bezahlt wird und verwaltet sein Vermögen. Unumwunden räumt der Gatte ein: Der Herr im Haus ist seine Frau. Auf diese Weise wurde die Ehe zwischen Martin und Katharina Luther zum Prototypen des protestantischen Pfarrhauses.

Ebenso interessant wie der erzählerische Ansatz ist das ästhetische Konzept, dessen konsequente Umsetzung mit seinen gewollten Unschärfen und den gerissenen Schwenks allerdings auch etwas irritiert: In dem Bemühen, die Ereignisse aus Katharinas Perspektive zu zeigen, verzichten die Regisseurin und ihre Kamerafrau Daniela Knapp auf Totalen und Tiefenschärfe und bleiben ihrer Hauptfigur stattdessen ständig auf den Fersen. Deshalb irrlichtert die Kamera immer wieder mal durch die Gegend und sammelt Augenblicke, wenn sich die junge Frau beispielsweise ihren Weg durch eine aufgebrachte Menge bahnt. Diese Art der Bildgestaltung ist vor allem für die Ausstattung eine große Herausforderung, weil die Bewegungen der Kamera nicht vorgezeichnet sind. Und während es bei Totalen genügt, einen glaubwürdigen Eindruck zu erwecken, müssen bei Nahaufnahmen natürlich alle Details stimmen. Das Szenenbild von Christian Kettler wirkt ungemein authentisch; der anfangs in Luthers Behausung allgegenwärtige Dreck zum Beispiel ist nicht dekorativ, sondern einfach dreckig.

Auf ganz ähnliche Weise setzt sich der Film mit Luther auseinander. Devid Striesow hat mit Julia von Heinz schon bei der Verfilmung von Hape Kerkelings Jakobswegbuch "Ich bin dann mal weg" zusammengearbeitet und ist auch hier dank seines facettenreichen Spiels eine ausgezeichnete Wahl. Schnalke verzichtet darauf, den Reformator zu verklären, und verhehlt auch seinen Antisemitismus nicht. Die Thesen spielen kaum eine Rolle, da die eigentliche Handlung erst 1522 beginnt, Luthers Haltung zum Bauernkrieg dafür umso mehr; er hatte die Fürsten aufgefordert, den Aufstand der Bauern, die sich bei ihrer Auflehnung auf seine Schriften bezogen hatten, mit aller nötigen Gewalt niederzuschlagen. Auch diese eher diskursiven Passagen hat Schnalke so geschickt integriert, dass sie nicht wie eine Abschweifung wirken. Sie sind genauso Teil der Handlung wie Katharinas albtraumartige Angst, der Fluch der Klosteroberin könne sich erfüllen und sie werde einen Teufelsbalg gebären, die furchtbaren Visionen Luthers von geschändeten und gepfählten Bauern oder die tiefe Trauer des Paares um seine mit zwölf Jahren verstorbene Tochter Magdalena. Und so ist "Katharina Luther" das Porträt einer für ihre Zeit geradezu revolutionär denkenden und handelnden Frau, die früh entdeckt, dass es kein wahres Leben im falschen gibt.

Der besondere Status des Films zeigt sich nicht zuletzt an den vielen Produktionspartnern. Von Seiten der ARD waren neben dem federführenden MDR auch die Degeto, der BR und der SWR beteiligt. Produziert wurde "Katharina Luther" von der evangelischen Eikon und den Partnern Tellux (katholisch), Cross Media (eine gemeinsame Tochter der beiden Unternehmen) sowie Conradfilm. Im Anschluss an den 105 Minuten langen Fernsehfilm zeigt die ARD mit der Dokumentation "Luther und die Frauen", wie sich durch die Reformation auch die Stellung und das Bild der Frau verändert haben. Im Internet bietet die ARD weitere Hintergrundinformationen über das Leben im 16. Jahrhundert und die Entstehung des Films.