Die Reformation war nicht nur Männersache

Die Skulptur der Sybille von Jülich-Kleve-Berg ist in Bad Neuenahr-Ahrweiler in der Ausstellung "Reformatorinnen. Seit 1517" zu sehen.
Foto: dpa/Thomas Frey
Die Skulptur der Sybille von Jülich-Kleve-Berg ist in Bad Neuenahr-Ahrweiler in der Ausstellung "Reformatorinnen. Seit 1517" zu sehen.
Die Reformation war nicht nur Männersache
Die Reformation war nicht allein das Werk von Männern. Auch Frauen hatten ihren Anteil an der Verbreitung von Luthers Thesen. Aber das ist heute fast vergessen.
15.01.2017
dpa
Dorothea Hülsmeier

Es gibt ein Bild von Lucas Cranach dem Jüngeren, auf dem Martin Luther umringt von seinen Mitarbeitern zu sehen ist. Alle sind Männer. Doch die wohl wichtigste Mitarbeiterin Luthers - seine Ehefrau Katharina von Bora - ist nicht auf dem Bild. Auch Frauen brachten die Reformation voran.

Von einem "Filter der Geschichte" spricht Irene Diller von der Gender- und Gleichstellungsstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland. "Bei den Mächtigen wurde vor allem überliefert, was Männer gemacht haben", sagt sie. Zum 500. Reformationsjubiläum zieht nun eine Wanderausstellung mit 13 Porträts von Herrscherinnen, Dichterinnen und Theologinnen der Reformation durch Deutschland. Die Schau gibt es in zwei Ausführungen. Start ist das rheinland-pfälzische Bad Neuenahr, wo vergangene Woche die rheinische Synode tagte. Bis in die jüngste Gegenwart wird der Beitrag der Reformatorinnen aufgearbeitet.

Ohne seine Ehefrau und engste Vertraute Katharina von Bora (1499-1552), eine adlige Nonne, die wie viele andere aus dem Kloster geflüchtet war, hätte Luther zum Beispiel sein offenes Haus nicht unterhalten können. Katharina war das perfekte Beispiel für Multi-Tasking: Sie zog sechs eigene Kinder und manches andere auf, besaß ein eigenes Landgut, managte Garten, Viehhaltung, Brauerei und sicherte den Lebensunterhalt mit Untervermietungen an Studenten. Auch brachte sie eigene theologische Beiträge zur Reformation ein.

Aber ob ihre Beziehung zu Luther gleichberechtigt war, wisse man nicht, sagt die Oxford-Historikerin Lyndal Roper. Luther schrieb Katharina zwar verehrungsvolle Briefe. Andererseits musste sie ihn immer mit "Herr Doctor" ansprechen. Nach Luthers Tod erlebte Katharina Enteignung und üble Nachrede. Luthers Testament, das ihr alle Vollmachten gab, wurde nicht anerkannt.

Katharina von Bora ist noch vielen ein Begriff - Argula von Grumbach (1492-1554) dagegen wird in den Geschichtsbüchern zumeist nur nebenbei erwähnt. Die adlige Mutter von vier Kindern gilt als die erste Frau, die öffentlich für die Reformation eintrat. Die scharfzüngige Bibelkennerin forderte mit einer Streitschrift die Gelehrten der Universität Ingolstadt heraus. "Ich habe Euch kein Weibergeschwätz geschrieben", lauten ihre berühmt gewordenen Worte.

Argulas Flugschriften waren ein Riesenerfolg und wurden in Bayern in einer Auflage von 30.000 gedruckt - und kamen damit fast an Luthers Auflagen. Argula korrespondierte mit Luther, traf ihn 1530 sogar. Doch intellektuelle Gleichheit zwischen Männer und Frauen gab es im 16. Jahrhundert nicht, schreibt Roper in ihrer Luther-Biografie. An der Universität wurde Argula verspottet. "Die Möglichkeit, als Pfarrerin, Autorin oder religiöse Autorität zu wirken, war auch in der neuen Religion für sie nicht vorgesehen", schreibt Roper. Die Gleichstellung gehörte erst zu den Errungenschaften des 20. Jahrhunderts.

Spionagetätigkeit im katholischen Umland

Katharina Schütz Zell (1497/98-1562), die bürgerliche "Kirchenmutter Straßburgs", wurde öffentlich angegriffen, weil sie den evangelischen Prediger Matthias Zell geheiratet hatte. Katharina verteidigte in ihrer ersten theologischen Veröffentlichung die Ehe für Priester und griff die klerikale Hierarchie an.

Elisabeth von Rochlitz (1502-1557), Geheimagentin für den Schmalkaldischen Bund, musste sogar fliehen. Sie war die einzige Frau in dem Verteidigungsbündnis protestantischer Fürsten. Als ihre Spionagetätigkeit inmitten eines katholischen Umlands aufflog, verlor sie ihren Herrschaftsbereich und floh in ihre Geburtsstadt Marburg.

Dass Briefe und viele Schriften der Reformatorinnen erhalten sind, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn Frauen lernten im 16. Jahrhundert viel seltener schreiben und lesen als Männer. "Und dann durften sie in vielen Regionen ihre Schriften nicht drucken lassen", sagt Diller. "Manche haben unter männlichem Pseudonym veröffentlicht."

Es stellt sich auch die Frage, ob die Reformation der Bildung der Frauen wirklich zuträglich war. Zuvor waren vor allem Klöster Orte der weiblichen Gelehrsamkeit - und einer gewissen Unabhängigkeit der Frauen. Die Reformation machte in vielen Gebieten Schluss mit dem Klosterleben - die Ehe galt fortan als beste Lebensform für Frauen.