TV-Tipp: "Mörderisches Tal – Pregau" (ARD)

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TV-Tipp: "Mörderisches Tal – Pregau" (ARD)
25.12., ARD, 21.50 Uhr: "Mörderisches Tal - Pregau"
Längst bilden diese Geschichten ein eigenes Genre: Jemand biegt falsch ab und landet mitten im größten Abenteuer seines Lebens. Nils Willbrandt zeigt mit seinem Vierteiler, dass sich das Erzählmuster auch in übertragener Hinsicht verwenden lässt. Viele Filme dieses Genres spielen irgendwo im Hinterwald, wo die Einheimischen Fremden gegenüber eine oftmals tödliche Abneigung hegen. Ganz so schlimm sind die Menschen aus dem österreichischen Provinzkaff Pregau zwar nicht, aber die deutschen Mitbürger haben nicht viel zu lachen.

Das bekommt auch Hannes Bucher (Maximilian Brückner) regelmäßig zu spüren, seit er mit Gattin Maria (Ursula Strauss) vor neun Monaten in ihren Heimatort gezogen ist. Ihre Familie, allen voran Vater Johann Hartmann (Wolfgang Böck), der die Sippe als strenger Patriarch anführt, macht keinen Hehl daraus, dass sie Marias Heirat mit dem deutschen Polizisten für einen großen Fehler hält. Um die Ehe steht es ohnehin nicht mehr zum Besten. Das ist zwar keine Entschuldigung für den Fehltritt, den sich der sexuell frustrierte Hannes eines nachts leistet, aber er macht ihn verständlich: Nach einer Familienfeier erwischt er die frühreife minderjährige Tochter seiner Schwägerin am Steuer des flotten Sportwagens ihres Freunds. Die leicht angetrunkene Rosa (Zoe Straub) verführt ihn, damit er den Vorfall unter den Teppich kehrt. Kurz drauf stirbt sie bei einem Autounfall, und weil auf ihrem Kleid Sperma gefunden wird, das nicht von ihrem Freund stammt, setzt Hannes’ eifriger Kollege Hecker (Robert Palfrader) alle Hebel in Bewegung, um den "unbekannten Dritten" zu finden. Beim Bemühen, seine Spuren zu verwischen, sorgt Hannes für eine Kettenreaktion, in deren Verlauf immer mehr Menschen das Zeitliche segnen.

Auch wenn der Held dieses Vierteilers nur im moralischen Sinn vom rechten Weg abgekommen ist: Das Erzählmuster ähnelt den "Falsch abgebogen"-Filmen, und das nicht nur, weil "Mörderisches Tal" noch ganz schön leichenreich wird. Für Nils Willbrandt, der zuletzt den Migrantenfilm "Leberkäseland" und davor unter anderem zwei beachtliche Krimis aus der Craig-Russell-Reihe gedreht hat ("Brandmal", "Blutadler"), muss dieser Film ein Fest gewesen sein: 360 Minuten sind Zeit genug, um die vielen oftmals verblüffenden Handlungswendungen auszukosten und eine Familien-Saga zu entwerfen. Nach und nach zeigt sich, dass die Hartmann-Sippe regelrecht verkommen ist. Im Vergleich zum Rest der Familie ist der Fehltritt von Hannes eine Petitesse, denn hinter der ehrenwerten Fassade hütet jeder sein eigenes Geheimnis: Maria verbringt eine wilde Nacht mit ihrem Neffen Lukas (Nikolai Gemel). Dessen Bruder Sebastian (Thomas Schubert), der sich im weiteren Verlauf der Handlung als Psychopath entpuppt, hat mehr als nur Bruderliebe für seine tote Schwester empfunden. Viel verwerflicher ist allerdings das Treiben der beiden alten Hartmänner. Dass Johann und sein schwuler Bruder Elias (Karl Fischer) die wahren Betreiber des örtlichen Bordells sind, wird angesichts der mafiösen Strukturen, die sie geschaffen haben, fast zur Nebensache. Als eins der Mädchen stirbt, wird es kurzerhand in der örtlichen Tierkörperverwertung entsorgt. Außerdem führen die Hartmanns, denen halb Pregau gehört, einen Kleinkrieg gegen den alten Hölzl (Helmut Berger); er besitzt die andere Hälfte. In diesem Krieg sind ihnen alle Mittel recht. Um den ehrgeizigen stellvertretenden Bürgermeister (Harald Schrott) auf ihre Seite zu bekommen, sorgen sie dafür, dass eine der Frauen aus dem Nachtclub besonders nett zu ihm ist; selbstverständlich wird die Begegnung gefilmt.

All das sind jedoch nur Nebenschauplätze. Willbrandt und Kameramann Peter Nix erzählen die Geschichte in ruhigen und gern auch mal langen Einstellungen, aber nie langatmig. Außerdem sorgt Willbrandts Drehbuch mit großem Geschick dafür, dass sämtliche Handlungswege regelmäßig zurück zu Hannes führen. Im Grunde ist "Mörderisches Tal - Pregau" eine gerade für das deutsche Fernsehen ganz erstaunliche Erzählung des Sisyphos-Mythos: Jedes Mal, wenn Hannes glaubt, er habe seinen Kopf aus der Schlinge gezogen, zieht sich die nächste zu. Geradezu lustvoll kostet Willbrandt aus, wie der eigentlich unbescholtene Mann in immer neue Nöte gerät. Maximilian Brückner verkörpert dieses Wechselbad famos: Hannes verzweifelte Versuch, die Kontrolle zurückzubekommen; seine Erleichterung, wenn er wieder mal mit mehr Glück als Verstand mit einer Notlüge durchgekommen ist; die wenigen Momente der Entspannung, wenn er mit seiner rätselhaften Tochter (Antonia Jung) zusammen ist; und schließlich sein Entsetzen über die eigenen seelischen Abgründe, von denen er bislang nichts ahnte. Nicht minder prägnant ist das gute Dutzend weiterer wichtiger Rollen besetzt, darunter Armin Rohde als Ex-Gauner Dirrmeyer, der unverhofft zu Hannes’ Partner wird, sowie Marc Hosemann als Dirrmeyers düsterer Bruder, der die gesamte Filmhandlung hindurch darauf wartet, dass endlich sein großer Tag kommt. Als es schließlich soweit ist, sorgt er für den krachenden Schlusspunkt dieses mutigen tragikomischen Krimidramas. Die ARD zeigt die vier Teile von 25. bis zum 28. Dezember jeweils um 21.45 Uhr.