"Wir wollen uns lebend"

"Ni una menos" ("Nicht eine weniger") steht auf einem Schild bei einer Demonstration gegen Gewalt an Frauen in Lima, Peru.
Foto: Reuters/Guadalupe Pardo
"Ni una menos" ("Nicht eine weniger") steht auf einem Schild bei einer Demonstration gegen Gewalt an Frauen in Lima, Peru.
"Wir wollen uns lebend"
Frauen in Lateinamerika wehren sich gegen Gewalt
Sie werden geschlagen, vergewaltigt und misshandelt: Nach UN-Angaben sind mindestens 35 Prozent aller Frauen weltweit schon einmal das Opfer sexueller oder körperlicher Übergriffe geworden. Der "Internationale Aktionstag gegen Gewalt an Frauen" am 25. November soll auf das Problem aufmerksam machen. Es geht um Gewalt in der Familie, in Kriegen und auf der Flucht. In Lateinamerika hat der Tag sowohl aktuell als auch historisch eine besondere Bedeutung.

In den vergangenen Monaten hat sich in Lateinamerika eine breite Protestbewegung gegen die zunehmende Gewalt an Frauen entwickelt. Auslöser waren brutale Frauenmorde, etwa in Peru und Argentinien. Unter dem Motto "Ni una menos" ("Nicht eine weniger") gingen im Oktober Zehntausende Menschen in Argentinien auf die Straße, nachdem ein 16-jähriges Mädchen gestorben war. Frauen in ganz Lateinamerika solidarisierten sich. Mit Protesten wollen sie nun auch am Wochenende ein Zeichen gegen die vorherrschende Machokultur setzen. Manche gehen unter dem Motto "Vivas nos queremos" ("Wir wollen uns lebend") auf die Straße.

1981 wurde der Aktionstag von Feministinnen aus Lateinamerika und der Karibik erstmals ausgerufen. Sie gedachten damit dreier Schwestern, die in der Dominikanischen Republik verschleppt, vergewaltigt und ermordet worden waren. Patria, Minerva und Maria Teresa Mirabal starben am 25. November 1960 durch die Hand von Soldaten des Trujillo-Regimes. 1999 erkannten die Vereinten Nationen den Tag offiziell an. In internationalen Dokumenten wird Gewalt gegen Frauen heute als Menschenrechtsverletzung eingestuft.

Femizid als Straftatbestand in 16 Ländern

In vielen lateinamerikanischen Gesellschaften gehört körperliche und sexuelle Gewalt jedoch noch immer zum Alltag. "Täglich werden in der Region mindestens zwölf Frauen getötet, nur weil sie Frauen sind", heißt es in einer Statistik der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Cepal), die vor rund einem Monat veröffentlicht wurde. Sie stützt sich auf Zahlen aus dem Jahr 2014. Demnach gilt Honduras mit einer Quote von 13,3 Mordfällen auf 100.000 Frauen (531 Morde insgesamt) als das gewalttätigste Land in Lateinamerika, gefolgt von El Salvador.

In Argentinien wurden 2014 mehr als 200 Frauen ermordet. Allerdings sind nicht alle Länder miteinander vergleichbar, weil die Daten unterschiedlich erfasst werden. In Mexiko werden Frauenmorde zum Beispiel nicht separat registriert. Dort schreckten seit Mitte der 90er Jahre vor allem die Frauenmorde in der nördlichen Stadt Ciudad Juárez auf, hinter denen ein kriminelles Netz von Menschenhändlern vermutet wurde, womöglich sogar mit Komplizen in der Polizei. Mindestens 700 Frauen sollen getötet worden sein, wenn nicht gar Tausende.



Brasilien wurde in der Cepal-Statistik gar nicht aufgeführt, obwohl es laut der Weltgesundheitsorganisation auf Platz fünf der gewalttätigsten Länder für Frauen steht. Laut der Studie "Landkarte der Gewalt" wurden allein im Jahr 2013 mehr als 4.700 Frauen in Brasilien getötet.

16 lateinamerikanische Länder haben den Femizid als Straftatbestand ins Gesetz aufgenommen, der mit lebenslänglicher Haft geahndet werden kann. Femizid bezeichnet die massenhafte und gezielte Tötung von Frauen, oft mit Billigung von staatlichen Organen. Frauenrechtlerinnen kritisieren hingegen, dass die Justiz in vielen Fällen zu langsam arbeite und die Täter mit zu geringen Strafen davonkämen.