TV-Tipp: "Am Sonntag bist du tot" (Servus TV)

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TV-Tipp: "Am Sonntag bist du tot" (Servus TV)
8.10., Servus TV, 23.00 Uhr: "Am Sonntag bist du tot"
Im Original heißt dieses herausragend gute Drama schlicht "Calvary". Der Titel ist eine echte Herausforderung, wenn man nicht gerade in Religionsgeschichte bewandert ist: Das Wort Kalvarienberg bezieht sich auf die lateinische Übersetzung von Golgatha, jenem Ort also, an dem Jesus gekreuzigt worden ist. Noch unmissverständlicher als der deutsche Titel "Am Sonntag bist du tot" nimmt "Calvary" (im Original zudem mit einem Kreuz versehen) also vorweg, welches Schicksal die Hauptfigur am Ende ereilen wird.

Der zweite Film des Iren John Michael McDonagh ("The Guard") ist die Chronik der angekündigten Ermordung des irischen Küstendorfpriesters James Lavelle (Brendan Gleeson): Während einer Beichte erzählt ihm ein Mann, dass er als Kind jahrelang von einem Pfarrer missbraucht worden ist. Nun soll jemand für die damaligen Untaten büßen, aber nicht der ohnehin längst verstorbene Peiniger, sondern wie weiland Jesus ein gänzlich unbescholtenes und sogar höchst ehrenwertes Mitglied der Kirche. Der Mann fordert Lavelle auf, seine irdischen Angelegenheiten zu regeln und sich nächsten Sonntag am Strand einzufinden.

Der Priester ist zunächst konsterniert und tut dann, wie ihm befohlen, was aus seiner Sicht heißt: Er verhält sich nicht anders als sonst. Sein Dasein besteht ohnehin daraus, Angelegenheiten zu regeln; wenn auch die seiner Gemeindemitglieder. Und so konfrontiert McDonagh den Priester auf seinem ganz persönlichen Kreuzweg an jedem der folgenden Tage mit einem seiner Schutzbefohlenen, die auf mehr oder weniger harmlose Art allesamt Antagonisten sind: der Metzger, der seine Frau schlägt; der jugendliche Frauenmörder, der seine Opfer verspeist hat; der schwerreiche, aber einsame Investmentspezialist, der Kapital-Verbrechen ganz anderer Art begangen hat. Dass der Mann aus dem Beichtstuhl seine Drohung ernst meint, steht außer Frage: Erst stirbt Lavelles Hund, dann brennt die Kirche ab.

Dabei ist der Pfarrer unter den wahlweise zynischen oder misanthropischen Gemeindemitgliedern der einzige Mensch ohne Fehl und Tadel, selbst wenn ihm seine Tochter Fiona vorwirft, durch die Entscheidung für die Kirche nach dem Tod seiner Frau habe sie kurz hintereinander beide Eltern verloren. Dass Fiona ihn aufsucht, hat allerdings andere Gründe: Die schöne junge Frau hat aus Liebeskummer versucht, sich umzubringen. Außer ihr gibt es im Dorf nur zwei Menschen, die es bedingungslos gut mit dem Pfarrer meinen: ein alter amerikanischer Schriftsteller (M. Emmet Walsh) und der örtliche Polizeiinspektor (Gary Lydon. 

Mit  Ausnahme des großartigen Brendan Gleeson, Hauptdarsteller nicht nur in McDonaghs Regiedebüt "The Guard", sondern auch in "Brügge sehen... und sterben?" von dessen jüngerem Bruder Martin, sind die meisten Schauspieler hierzulande praktisch unbekannt, aber sie machen ihre Sache ausgezeichnet; allen voran Kelly Reilly als rothaarige Fiona. Eine weitere Hauptrolle spielt die raue, von Kameramann Larry Smith vortrefflich in Szene gesetzte irische Küstenlandschaft; die tosenden Wellen und die gleichgültige Unbarmherzigkeit des Meeres sind ein perfektes Sinnbild für das Schicksal, dem sich der Priester Tag für Tag entgegenstemmt.

Ähnlich bemerkenswert wie die anspruchsvollen philosophischen und moraltheologischen Dialoge, die Darstellerführung und die Bildgestaltung ist die Musik von Patrick Cassidy (CD bei Colosseum), die den Bildern mit Chorälen und gälischen Motiven eine tiefe Melancholie verleiht. Und obwohl man ahnt, was kommen wird, ist der Schluss dennoch erschütternd.