Amnesty-Experte: Rassismus konsequent verfolgen

Amnesty-Experte: Rassismus konsequent verfolgen
Die rassistischen Übergriffe im sächsischen Hoyerswerda vor 25 Jahren wirken nach Ansicht des Berliner Rassismus-Experten Alexander Bosch bis heute nach. "Es wurde damals versäumt, mit der rassistischen Gewalt umzugehen und sie juristisch konsequent zu verfolgen", sagte Bosch dem Evangelischen Pressedienst (epd).
19.09.2016
epd
epd-Gespräch: Katharina Rögner

Berlin/Hoyerswerda (epd). Dabei habe es Anfang der 90er Jahre eine Reihe von Ausschreitungen gegeben, nach Hoyerswerda etwa auch in Rostock-Lichtenhagen und Solingen.

Die rassistischen Jugendlichen von damals seien heute zum Teil in der extrem rechten Szene aktiv. "Was damals versäumt wurde, muss heute dringend nachgeholt werden", sagte Bosch, der Referent für die Themen Polizei und Rassismus bei Amnesty International in Berlin ist.

Keine konsequente Verfolgung der Straftaten

Zudem seien keine Sicherheitskonzepte für die Flüchtlingsunterkünfte entwickelt worden. "Das fällt uns heute auf die Füße", sagte der Experte. Politik und Behörden hätten jahrelang rassistische Straftaten nicht so konsequent verfolgt, wie das in Deutschland angenommen wurde.

Außerdem sei der alltägliche Rassismus unterschätzt worden. Das liege unter anderem daran, dass man in Deutschland vielfach ein falsches Verständnis von Rassismus habe. "Rassismus ist damals wie heute ein tiefgehendes gesellschaftliches Problem, das nicht auf Rechtsextremismus - und damit auf ein Phänomen einiger weniger Rechtsextremer - verengt werden kann", betonte Bosch.

Allein auf Flüchtlingsunterkünfte werden Bosch zufolge bundesweit täglich im Durchschnitt drei Angriffe verzeichnet. "Rassistische Gewalt muss erkannt und als solche auch verfolgt werden", forderte Bosch. Da gebe es noch Defizite.

Grenzen der Meinungsfreiheit

Rassismus sei zudem ein bundesweites Problem. "Das zu erkennen, damit tun sich einige Verantwortliche noch immer schwer", sagte der Experte dem epd. "Deutliche Anzeichen" gebe es auch für die Existenz von institutionellem Rassismus innerhalb der Polizei. Daher müsse in der Aus- und Fortbildung der Polizeibeamten mehr für Rassismus und dessen Erscheinungsformen sensibilisiert werden.

Mit Blick auf die vor allem in Sachsen aktive fremdenfeindliche "Pegida"-Bewegung betonte der Amnesty-Experte: "Es ist das gute Recht eines jeden Bürgers, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren." Die Meinungsfreiheit sei existenziell. Es gebe allerdings Grenzen. Wenn diese überschritten werden, so wie bei "Pegida" mehrfach mit rassistischen Äußerungen und Parolen geschehen, dürfe das nicht toleriert werden. "Dagegen müssen Polizei und Staat vorgehen", sagte Bosch.