Jugendämter betreuen so viele minderjährige Flüchtlinge wie noch nie

Jugendämter betreuen so viele minderjährige Flüchtlinge wie noch nie
Immer mehr junge Menschen fliehen auch ohne ihre Eltern nach Deutschland: Im vergangenen Jahr nahmen die Jugendämter 42.300 Kinder und Jugendliche in Obhut. Experten kritisieren die dünne Datenlage und schlechte Unterbringung der Minderjährigen.

Die Jugendämter in Deutschland betreuen so viele minderjährige Flüchtlinge wie noch nie: Im vergangenen Jahr wurden 42.300 Kinder und Jugendliche ohne Begleitung einer sorgeberechtigten Person in Obhut genommen, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte. Das waren rund 30.700 mehr als 2014. Nach Angaben des Bundesfachverbandes unbegleitete minderjährige Flüchtlinge reisen allerdings weniger junge Menschen ein, als die Statistik nahe legt, weil manche Kinder und Jugendliche mehrfach registriert oder in Obhut genommen würden. Bei einigen werde die Volljährigkeit auch erst später festgestellt.

Seit dem 1. November 2015 reisten weniger minderjährige Flüchtlinge ein. Der Fachverband stützt sich auf Bestandszahlen der Kinder- und Jugendhilfe, die das Bundesverwaltungsamt seit Inkrafttreten des Gesetzes zur vorläufigen Inobhutnahme und Umverteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sammelt.

Demnach bezogen im Dezember 2015 53.000 Flüchtlinge Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Das seien rund 10.000 Kinder und Jugendliche mehr als die Zahl der Inobhutnahmen, weil noch weitere Leistungen wie ambulante Hilfen einbezogen seien, sagte Niels Espenhorst vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zwischen November und März 2016 seien 25.000 junge Flüchtlinge neu aufgenommen worden.

Über die pädagogische Betreuung, die Unterbringung und Bleibeperspektiven der Kinder und Jugendlichen können laut Espenhorst keine Aussagen getroffen werden. "Schon seit Jahrzehnten ist die Datenlage zu Flüchtlingen unglaublich dünn", sagte er. Auch aktuelle Zahlen fehlten.

Frustriert wegen langer Wartezeiten

Nach Untersuchungen seines Verbands wird jeder zweite junge Flüchtling in regulären Inobhutnahmeeinrichtungen untergebracht. Jeder Dritte befinde sich in Notunterkünften, etwa 15 Prozent in Hotels, Hostels oder Jugendherbergen. Die Kinder und Jugendlichen würden nicht intensiv betreut, sagte Espenhorst. "Oft haben sie lange Wartezeiten, die frustrieren und die Integrationsbereitschaft hemmen."

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren 38.700 der geflüchteten Kinder und Jugendlichen oder gut 90 Prozent männlich. Nur rund 3.600 Mädchen reisten unbegleitet nach Deutschland ein. Etwa jeder zweite unbegleitete minderjährige Flüchtling stellte 2015 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Insgesamt hätten die Jugendämter 2015 rund 77.600 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen, teilten die Statistiker mit. Das seien zwar fast 30.000 Minderjährige mehr als im Vorjahr. Die Inobhutnahmen aufgrund von Überforderung der Eltern, Schul-, Ausbildungs- oder Suchtproblemen der Betroffenen seien aber um drei Prozent gesunken.