Bundesregierung lässt Strafverfolgung von Böhmermann zu

Bundesregierung lässt Strafverfolgung von Böhmermann zu
Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden: Bundeskanzlerin Merkel ermächtigt auf türkischen Wunsch hin in die deutsche Justiz, gegen den ZDF-Moderator zu ermitteln - gegen den Willen des sozialdemokratischen Koalitionspartners.

Die deutsche Justiz darf gegen ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ermitteln. Nach tagelanger Prüfung eines türkischen Ersuchens erteilte die Bundesregierung der Mainzer Staatsanwaltschaft die Erlaubnis, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag in Berlin mitteilte. Es sei nicht Sache der Regierung, die Persönlichkeitsrechte eines Einzelnen gegen Meinungs- und Kunstfreiheit abzuwägen. In einem Rechtsstaat hätten Staatsanwaltschaften und Gerichte das letzte Wort. Die Entscheidung fiel gegen den Widerstand des Koalitionspartners SPD.

Die Bundesregierung erteilte der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zu Ermittlungen auf Grundlage von Paragraf 103 des Strafgesetzbuches, nach dem die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts mit bis zu drei oder fünf Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Die Türkei hatte wegen des Schmähgedichts von Böhmermann auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan förmlich eine Strafverfolgung verlangt. Der umstrittene Paragraf 103 soll nun bis 2018 abgeschafft werden, wie Merkel weiter mitteilte. Darin sei sich die Bundesregierung einig.

Der ZDF-Moderator Böhmermann hatte Erdogan in seinem Gedicht am 31. März in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" unter anderem als "sackdoof, feige und verklemmt" bezeichnet. Neben dem Ersuchen einer Strafverfolgung nach Paragraf 103 hat der türkische Staatspräsident daraufhin zudem persönlich Strafantrag wegen Beleidigung nach Paragraf 185 des Strafgesetzbuchs gestellt. Die Staatsanwaltschaft Mainz führt die Vorermittlungen. Außerdem verlangt Erdogan über einen deutschen Anwalt zivilrechtlich eine Unterlassungserklärung von Böhmermann, die dieser aber ablehnt.

Merkel betonte, die Erteilung einer Ermächtigung zur Strafverfolgung bedeute keine Vorverurteilung Böhmermanns. Der Rechtsstaat garantiere, "dass die Verfahrensrechte des Betroffenen gewahrt werden. In ihm gilt die Unschuldsvermutung." Sie äußerte sich besorgt über die Lage der Medien in der Türkei. Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit müssten beachtet werden.

Die mit Spannung erwartete Entscheidung der Bundesregierung fiel gegen den Willen der SPD-geführten Ressorts, die an den Beratungen beteiligt waren. Das Auswärtige Amt und das Justizministerium hätten gegen die Erteilung einer Ermächtigung gestimmt, teilten die Ressortchefs Frank-Walter Steinmeier und Heiko Maas (beide SPD) mit. An der Prüfung waren zudem das Innenministerium und das Kanzleramt beteiligt, die von der CDU geführt werden. Wegen Stimmengleichheit sei Merkels Stimme letztlich die entscheidende gewesen, erklärte Steinmeier.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann betonte auf Twitter: "Ich halte die Entscheidung für falsch. Strafverfolgung von Satire wg 'Majestätsbeleidigung' passt nicht in moderne Demokratie." Dagegen erklärte Unions-Fraktionschef Volker Kauder: "Die Entscheidung der Bundesregierung im Fall Böhmermann ist richtig. Satire darf alles, aber nicht jede Beleidigung ist Satire. Wo die Grenze liegt, entscheiden in unserem Rechtsstaat die Gerichte."

Kritik kam von der Opposition. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einer falschen Entscheidung: "Gerade gegenüber Erdogan, der die Presse-, Kunst- und Meinungsfreiheit in der Türkei mit Füßen tritt, hätte Merkel diese Werte unmissverständlich hochhalten müssen." 

Bis zum Beginn der Strafverfolgung Böhmermanns kann es noch einige Tage dauern. Die Ermächtigung der Bundesregierung sei noch nicht zur Akte gelangt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Mainz dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch eine Begründung des Strafantrags durch den Rechtsbeistand des türkischen Staatspräsidenten Erdogan stehe noch aus. Das ZDF äußerte sich zurückhaltend. Die Bundesregierung habe eine "politische Entscheidung" getroffen, die den Beitrag Böhmermanns nicht bewerte.