Evangelische Kirche würdigt Genscher als "europäischen Brückenbauer"

Hans-Dietrich Genscher 1992
Foto: dpa/Karl Mittenzwei
Hans-Dietrich Genscher 1992
Evangelische Kirche würdigt Genscher als "europäischen Brückenbauer"
Mit großer Trauer hat die Evangelische Kirche in Deutschland die Nachricht vom Tod von Außenminister a.D. Hans-Dietrich Genscher aufgenommen. Er habe sich für eine Welt engagiert, "in der die Würde des Menschen im Mittelpunkt politischer Entscheidungen steht", sagte die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat den gestorbenen früheren Außenminister Hans-Dietrich Genscher als "europäischen Brückenbauer" gewürdigt. "Für ihn war der Dialog zwischen Kirchen und Politik ein wichtiger Teil der gesellschaftlichen Wertediskussion. Persönlich fühlte er sich von seinem Glauben im Leben getragen", sagte Schwaetzer am Freitag in Berlin.

Zugleich würdigte Schwaetzer das vielfältige kirchliche Engagement von Hans-Dietrich Genscher. "Seine Mitwirkung in der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland zeigt sein Engagement für die Gestaltung einer Welt, in der die Würde des Menschen im Mittelpunkt politischer Entscheidungen steht", so die Synodenpräses. Zudem engagierte sich Hans-Dietrich Genscher auch bei der Gründung des Lutherzentrums in Wittenberg im Jahr 1999 und stand den leitenden Geistlichen stets als verlässlicher Gesprächspartner zur Verfügung.

"Die Vollendung der Deutschen Einheit in Freiheit, an der er in seinem politischen Leben so intensiv gearbeitet hat, war für den gebürtigen Hallenser eine tiefe Freude. Der Vorrang des Politischen vor dem Militärischen kennzeichnet die von ihm mitgestalteten Meilensteine der europäischen Integration, die ihm auch bis in die letzten Tage seines Lebens von größter Wichtigkeit waren", sagte Schwaetzer.

Gauck: Gedenken Genschers "in tiefer Dankbarkeit"

"In diesen Stunden denke ich besonders an seinen großen Beitrag zur Vereinigung Deutschlands in Freiheit und Frieden", heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Kondolenzschreiben Gaucks. "Wir werden ihn nicht vergessen und gedenken seiner in tiefer Dankbarkeit", schreibt der Präsident.

Beharrlich, allgegenwärtig und "mit feinem Gespür für historische Momente" habe Genscher das friedliche Zusammenwachsen Deutschlands und Europas vorangetrieben. "Sein kluger Rat war bis zuletzt gefragt", erklärte der Bundespräsident. Seine Stimme werde fehlen.

Merkel: "Ein weltweit geachteter Staatsmann"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den verstorbenen früheren Außenminister Hans-Dietrich Genscher als einen weltweit geachteten Staatsmann gewürdigt. Sie selbst habe einen hoch geschätzten Ratgeber verloren, erklärte Merkel. "Ich verneige mich in Hochachtung vor der Lebensleistung dieses großen liberalen Patrioten und Europäers und bleibe persönlich für all die Gespräche und Begegnungen dankbar, bei denen ich bis in die letzten Jahre von seiner Welterfahrung und Lebensweisheit schöpfen durfte", sagte Merkel. Genscher, der 18 Jahre lang deutscher Außenminister war, habe das Amt geprägt wie kein anderer, unterstrich die Kanzlerin: "Unermüdlich knüpfte er rund um den Globus Verbindungen und erwarb für unser Land Vertrauen."

Der FDP-Politiker Genscher war in der Nacht zum Freitag im Alter von 89 Jahren an Herz-Kreislauf-Versagen gestorben. Genscher war von 1974 bis 1992 Bundesaußenminister und Vizekanzler. Unter ihm war seine FDP-Parteifreundin Irmgard Schwaetzer von 1987 bis 1991 Staatsministerin im Auswärtigen Amt, bevor sie als Ministerin ins Bauministerium wechselte. In seine Amtszeit fielen der Fall der Mauer, die Zwei-plus-vier-Gespräche, der deutsch-polnische Grenzvertrag sowie der deutsch-sowjetische Kooperationsvertrag. Besonders in Erinnerung ist sein Auftritt in der Prager Botschaft am 30. September 1989, bei dem er DDR-Flüchtlingen mitteilte, dass sie in die Bundesrepublik ausreisen dürfen.