TV-Tipp: "Ein starkes Team: Knastelse" (ZDF)

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Ein starkes Team: Knastelse" (ZDF)
12.3., ZDF, 20.15 Uhr: "Ein starkes Team: Knastelse"
Auf den ersten Blick mag es seltsam anmuten, dass sich Frauen in inhaftierte Verbrecher verlieben, aber das Phänomen ist offenbar gar nicht so selten.

Die Motive sind vielfältig und reichen von Faszination über pure Lust bis zu der Tatsache, dass diese Frauen ähnlich wie Witwen immer wissen, wo sich ihr Mann gerade aufhält. Schon allein wegen des selten erzählten Sujets ist dieser Film mit dem despektierlichen Titel "Knastelse" sehenswert, aber viel wichtiger für die Freunde des "Starken Teams" ist die neue Frau an der Seite von Florian Martens: Zum ersten Mal seit 64 Filmen und über zwanzig Jahren ermittelt Otto Garber nicht mehr gemeinsam mit Verena Berthold. Die Kollegin, heißt es beiläufig zu Beginn, ist nach Australien ausgewandert; die im Januar ausgestrahlte Folge "Geplatzte Träume" war der letzte Film mit der kurz zuvor verstorbenen Maja Maranow.

Axel Hildebrand, der für die diversen Krimireihen und -serien des ZDF schon eine Vielzahl von Folgen geschrieben hat, macht allerdings kein großes Gewese um die Einführung der Nachfolgerin: Linett Wachow wird vom Teamchef vorgestellt, und schon geht’s los. Das ist angenehm sachlich und unprätentiös. Anderswo sind die Neuen ja gern was Besonderes, aber Hildebrand verrät über die Vorgeschichte kaum mehr, als dass die Kollegin aus Schwerin kommt und Reddemann (Arnfried Lerche) bei einem Lehrgang aufgefallen ist. Dazu passt Stefanie Stappenbecks Spiel: Sie versieht Linett Wachow mit einer sympathischen Forschheit, die auch mal übers Ziel hinausschießt, und sorgt ansonsten mit ihrer Natürlichkeit dafür, dass sich die attraktive Ermittlerin problemlos ins Team integriert.

Trotzdem ist es natürlich reizvoll, wie der alte Hase Garber, den mit seiner Kollegin Verena mehr als nur die kollegiale Partnerschaft verband, damit klarkommt, dass ihn nun was junges Blondes zum Tatort begleitet. Auch das handelt Hildebrand recht kurz ab: Die beiden tauschen ein paar Ruppigkeiten aus, dann ist das Eis gebrochen; dass auch Linett eine ostdeutsche Vergangenheit hat, mag helfen, aber anders als Ex-Vopo Otto ist sie keine Nostalgikerin. Stappenbeck ist ohnehin eine gute Wahl, und das nicht nur, weil sie in mancherlei Hinsicht das Gegenteil von Maranow ist. Als eine der meistbeschäftigten deutschen Schauspielerinnen gelingt ihr mühelos der Spagat zwischen leichten und anspruchsvollen Filmen; ihre kurzlebige Münchener "Polizeiruf"-Rolle als ehemalige Militärermittlerin zum Beispiel war ebenso sehenswert wie ihre Rollstuhlanwältin in "Im Alleingang" (Sat.1).

Abgesehen von Stappenbecks Premiere und dem besonderen Fall fällt "Knastelse" allerdings nicht weiter aus dem Reihenrahmen. Maris Pfeiffer, die schon einige Erfahrungen mit dem "Starken Team" hat, erzählt die Geschichte unaufgeregt. Die Bildgestaltung, immerhin von Gunnar Fuß, ist sorgfältig, aber ebenfalls unauffällig, auch wenn Fuß dafür sorgt, dass Stappenbecks blaue Augen sehr hübsch mit ihrem blauen Pullover korrespondieren. Dafür ist die Geschichte umso  interessanter, selbst wenn Hildebrand die Suche nach dem Mörder eines gerade erst entlassenen Häftlings gemäß dem üblichen Schema erzählt. Verblüffend wird es erst gegen Ende, als die Tat von gleich zwei Tätern gestanden wird. Dafür führt das Drehbuch souverän in die Thematik ein: Während sich die Ermittler anderswo meist Kurzvorträge anhören müssen, damit die Zuschauer informiert sind, wird das Phänomen der Knastliebschaften hier angenehm beiläufig erläutert. Auch Anita Rothe (Claudia Geisler-Bading) hat eine Brieffreundschaft mit einem Häftling geführt. In der Verkörperung durch Gerdy Zint wirkt dieser Boris Kastel zwar alles andere als vertrauenerweckend, zumal er bei einem Überfall eine Frau getötet hat, aber Liebe gehorcht nun mal eigenen Regeln.

Nervenkitzel kommt nicht auf

Anitas erwachsener Sohn verhindert jedoch, dass der "Knacki" bei der Mutter einzieht; am nächsten Tag ist der Mann tot. Verdächtiger Nummer eins ist sein ehemaliger Kumpan Holzer (Michael Rotschopf), ein Freigänger, der das Geld aus dem gemeinsamen Überfall verjubelt hat und später von Kastel verraten worden ist. Auch Holzer hat eine "Knastelse" (Inga Busch), die ihm ein Alibi gibt. Als Vermittlerin für diese Beziehungen fungiert die adrette Gefängnispsychologin (Eva Meckbach), die Otto mit ihrer flirtenden Art ein wenig aus der Fassung bringt. Weil die Antwort auf die verschiedenen Fragen womöglich in der Haftanstalt zu suchen sind, schmuggelt Otto seinen alten Kumpel Sputnik (Jaecki Schwarz) als verdeckten Ermittler ins Gefängnis. Der findet raus, dass die Briefe, die die einsamen Knastherzen an die Frauen geschrieben haben, alle vom selben Autor (Marek Herloff) stammen; und dass die Männer jeweils nicht bloß eine "Else" hatten.

Krimispannung im Sinn von Nervenkitzel kommt allerdings nicht auf. Immerhin findet der Film ein überraschendes Ende für eine kurze Verfolgungsjagd, als Garber Holzers Flucht mit einer Glasscheibe stoppt. Ansonsten lebt "Knastelse" vom ungewöhnlichen Stoff. Außerdem macht es Spaß, den Schauspielern zuzuschauen, vor allem bei der Vernehmung einer attraktive Anwältin (Jeanette Hain), die unumwunden zugibt, dass es ihr in erster Linie um den Sex mit den ausgehungerten Häftlingen gehe; Polizisten hätten übrigens eine ähnliche Anziehungskraft. Pfeiffer lässt Otto Garber ungerührt zuhören, Florian Martens guckt nur. Aber wie er guckt! Und dass Fuß in dieser Szene die Augen der Frau glitzern lässt, trägt naturgemäß ebenfalls zu ihrer Wirkung bei. Unterm Strich: Ein solider Fall fürs "Starke Team". Dass Stefanie Stappenbeck beim ersten Auftritt nicht auftrumpft, liegt am Konzept der Reihe und wäre zudem ein Affront gegenüber den Fans von Maja Maranow; aber schon allein die Verjüngung des Ensembles wird den Filmen gut tun.