Europa-Ausgaben von "Zaman" erscheinen weiter

Europa-Ausgaben von "Zaman" erscheinen weiter
Nach der Übernahme der türkischen Oppositionszeitung "Zaman" durch die Regierung in Istanbul versuchen die Journalisten der Europa-Ausgaben ihre Arbeit fortzuführen.
07.03.2016
epd
Corinna Buschow (epd-Gespräch)

Berlin (epd) "Wir werden weitermachen", sagte der Kolumnist und ehemalige Berlin-Korrespondent der "Zaman", Süleyman Bag, am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wirtschaftlich und redaktionell seien die europäischen Ausgaben von der türkischen "Zaman" unabhängig. "Allerdings haben wir bis zum Wochenende den Mantelteil der Zeitung, also etwa 80 Prozent der Inhalte, von der Türkei übernommen", erklärte Bag. Nachdem dies nach der Erstürmung der Redaktion am späten Freitagabend nicht mehr möglich war, habe die Montagsausgabe nur 16 statt der normalen 20 Seiten umfasst.

Die regierungskritische "Zaman" gibt es in der Türkei seit 1986. 1990 wurde die Europa-Ausgabe gegründet. Inzwischen gibt es einzelne Regionalausgaben, unter anderem in Belgien, Frankreich und Deutschland. "Zaman" erscheint in Deutschland in türkischer Sprache. Der Verlag World Media Group AG betreibt aber auch das deutschsprachige Internetportal "Deutsch Türkisches Journal" (DTJ), dessen Chefredakteur Sülyman Bag ist.

Polizeiaktion keine große Überraschung

Bag berichtete, dass seine Kollegen in der Türkei bereits direkt nach der Einnahme ihrer Zeitung begonnen haben, ein neues Blatt unter dem Titel "Yarina Bakis" (Blick auf morgen) herauszugeben. Damit sollen die bisherigen "Zaman"-Abonnenten beliefert werden. "Trotz schwieriger Bedingungen und der Gefahr einer erneuten Schließung wollen wir weiter Leser in der Türkei erreichen", sagte Bag.

Die Stürmung der Redaktion in Istanbul bezeichnete Bag als "rechtswidrigen Akt". "Sie ist nicht vereinbar mit der türkischen Verfassung und internationalen Vereinbarungen", sagte der Journalist. Das Recht auf Eigentum sowie die Presse- und Meinungsfreiheit seien verletzt worden. Der türkische Präsident Recep Erdogan setze alles daran, dass keine kritische Öffentlichkeit entsteht. "Seit den 2013 bekannt gewordenen Korruptionsskandalen führt er einen Kampf gegen die freie Presse und oppositionelle Gruppen", sagte Bag.

Dennoch sei die Polizeiaktion für die Journalisten keine große Überraschung gewesen. "Wir waren auf solche Maßnahmen vorbereitet", sagte Bag. Er verwies auf ein ähnliches Vorgehen gegen die Ipek-Mediengruppe vor wenigen Monaten.