Diskussion über "Mein Kampf" im Schulunterricht

Diskussion über "Mein Kampf" im Schulunterricht
Vor der Präsentation der kritischen Gesamtausgabe von "Mein Kampf" sorgt die Veröffentlichung für Diskussionen. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz hält den Einsatz im Schulunterricht für möglich. Kritik kommt von einem britischen Historiker.

Vor der Veröffentlichung einer kommentierten Gesamtausgabe von Adolf Hitlers "Mein Kampf" ist eine Diskussion über den Einsatz des Buches im Schulunterricht entbrannt. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Bremens Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD), sagte am Donnerstag, sie halte das für möglich: "Es nützt nichts, etwas im Giftschrank zu verstecken." Ähnliche Einschätzungen vertreten Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Ministeriumsprecher aus Bayern und Thüringen äußerten sich bei einer epd-Umfrage in den Bundesländern hingegen skeptisch.

Bremens Senatorin Bogedan sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Kritische Auseinandersetzungen mit Texten können sehr hilfreich sein." So sollte ihrer Meinung nach auch mit der kommentierten Fassung von "Mein Kampf" verfahren werden. Für Bremen verwies Bogedan darauf, dass die Bildungsbehörde keine Vorgaben mache, welches Unterrichtsmaterial zur Aufarbeitung der NS-Zeit verwendet wird. Diese Entscheidung sei den Lehrern überlassen.

Die volksverhetzende Wirkung der Schrift entlarven

Das Institut für Zeitgeschichte in München (IfZ) will am Freitag die kommentierte Gesamtausgabe zu "Mein Kampf" vorstellen. Der Urheberschutz für die Schmähschrift des Dikators war am 31. Dezember ausgelaufen. Dadurch wurde ein Nachdruck des Buches wieder möglich.

Die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) hält es für möglich, "Mein Kampf" zum Unterrichtsstoff an den Schulen zu machen. In der jetzt verlegten kommentierten Fassung sei eine Besprechung von Buchauszügen möglich, sagte die SPD-Politikerin der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" vom Donnerstag. Sie werde den Schulen jedoch nicht vorschreiben, die Schrift als historische Quelle verpflichtend einzusetzen.

Für Mecklenburg-Vorpommern erklärte Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD), das Buch sei im Internet inzwischen frei verfügbar. "Wir können uns also nur entscheiden, ob wir Kinder und Jugendliche das Buch alleine lesen lassen oder ob wir sie in der Schule dabei begleiten und das Buch gemeinsam mit ihnen kritisch reflektieren", sagte er. Er könne sich eine wissenschaftlich kommentierte Taschenbuchausgabe auch für den Schulunterricht vorstellen, von der ein Teil des Erlöses der Auschwitz-Stiftung zugute komme.



Der Freistaat Thüringen indes sieht keine Notwendigkeit, die kommentierte Neuausgabe im Schulunterricht zu behandeln. Die Schüler der 9. und 10. Klasse setzten sich in Thüringen schon seit vielen Jahren "sehr gut mit dem Nationalsozialismus auseinander", sagte ein Sprecher von Thüringens Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linke). Auch aktuelle Bezüge würden im Unterricht hergestellt wie etwa zu Fremdenhass oder zur Instrumentalisierung der Flüchtlingskrise durch "rechte Rattenfänger".

Das bayerische Kultusministerium lehnt eine Nutzung der kritischen Edition von "Mein Kampf" im Schulunterricht nicht ab, hält die Gesamtausgabe mit ihren rund 2.000 Seiten aber nicht ohne weiteres für unterrichtstauglich. "Es kann aber eine Grundlage für Schulbuchverlage oder Lehrer sein", sagte ein Ministeriumssprecher.

Die Veröffentlichung der kommentierten Ausgabe von "Mein Kampf" ist nach Einschätzung des bayerischen Justizministeriums grundsätzlich nicht strafbar. Eine derartige Ausgabe wolle ja gerade die volksverhetzende Wirkung dieser Schrift entlarven, sagte eine Sprecherin am Donnerstag dem epd. Sie widersprach damit indirekt dem britischen Literaturwissenschaftler Jeremy Adler, der in der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstagausgabe) kritisierte, das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) wolle seine Edition gegen eindeutige Warnungen des Justizministeriums durchboxen.

Der britische Historiker hatte in einem Beitrag für die Zeitung geschrieben, die IfZ-Gesamtausgabe von Hitlers "Mein Kampf" sei zum Scheitern verurteilt. Ein solches Buch zu edieren, bedeute einen "Affront gegen den Staat". Der Gesetzgeber habe bisher zu Recht den Druck dieser Hetzschrift verboten.