Mehr Fälle von Kirchenasyl in Deutschland

Der syrische Flüchtling Youssef sitzt in seinem Zimmer im Pfarramt der evangelischen Kirchengemeinde Bad Rodach (Bayern).
Foto: dpa/Daniel Karmann
Der syrische Flüchtling Youssef lebt im Kirchenasyl im Pfarramt der evangelischen Kirchengemeinde Bad Rodach (Bayern).
Mehr Fälle von Kirchenasyl in Deutschland
In Deutschland wird seit zwei Jahren zunehmend mehr Kirchenasyl in Anspruch genommen. "In Bayern und im Gebiet der Nordkirche sind die meisten Kirchenasylfälle zu verzeichnen, gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Hessen", informiert die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e. V. (BAG).

"Wir wissen in Deutschland zurzeit von 291 Kirchenasylen mit mindestens 459 Personen, davon sind etwa 96 Kinder. 258 der Kirchenasyle sind sogenannte Dublin-Fälle", teilt die BAG mit. Zum Vergleich: Anfang 2015 gab es deutschlandweit 200 Kirchenasyle mit mindestens 359 Personen, davon waren 109 Kinder. 169 der Kirchenasyle waren im Januar 2015 sogenannte Dublin-Fälle.

"Die meisten Kirchenasylfälle in Deutschland sind zur Zeit in Bayern mit 89 Fällen zu verzeichnen", sagt Geschäftsführerin Genia Schenke Plisch von der BAG. Nach Bayern gäbe es die zweitmeisten Kirchenasylfälle im Gebiet der Nordkirche (48 Fälle), gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Hessen, erklärt sie weiter und fügt hinzu: In Baden-Württemberg hingegen gäbe es aktuell fünf Kirchenasylfälle. "In Deutschland gibt es inzwischen mehr Flüchtlinge in Not, die von der Abschiebung bedroht sind und sich an Kirchengemeinden wenden." Andererseits sei durch das Dublin-System die Zeit, in welcher der Flüchtling in der Kirche verharren müsse, relativ begrenzt und weniger abschreckend für die Kirchengemeinden geworden, erklärt Schenke Plisch diesen Anstieg. Für Kirchengemeinden sei damit der Zeitraum überschaubarer geworden, in welchem Kraft und Zeit investiert werden müsse.

Nach den Verfassern des Alternativen Menschenrechtsberichts Nürnberg wird es in Zukunft mehr Kirchenasyle geben müssen. Gerade Flüchtlinge aus Afghanistan und Äthiopien würden häufiger auf diese Hilfe angewiesen sein, erklärt der Fürther Pfarrer Kuno Hauck. Aus diesen Ländern würden in Zukunft viele Asylbewerber kommen, prognostiziert er. Jedes dieser Kirchenasyle sei allerdings eines zu viel, sagt Stephan Theo Reichel, der Kirchenasylbeauftragte der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Bayern. "Wir würden als Kirchen lieber mehr Asylsozialarbeit machen". Außerdem sei ein Kirchenasyl, das die Flüchtlinge monatelang nicht verlassen könnten, "eine Zumutung für einen Menschen, der auf der Suche nach Freiheit geflohen ist".

Kirchenasyl verhindert Abschiebung

Das Kirchenasyl ist eine Möglichkeit, um "Dublin-Abschiebungen" zu verhindern. Nach dem Dublin-System sollen Asylbewerber in das EU-Land abgeschoben werden, in dem sie zuerst registriert wurden. Das Kirchenasyl steht in einer jahrhundertealten Schutztradition, aus der heraus es sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einer Art Institution entwickelt hat, die eingreift, wenn Abschiebung in Gefahrensituationen droht.

Im Frühjahr 2015 vereinbarten das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und leitende Vertreter der Kirchen, dass die Praxis des Kirchenasyls sich insofern verändern solle, dass die Gemeinden ihre Kirchenasyle nicht nur direkt an das BAMF weiterleiten, sondern auch die Ansprechpartner für Kirchenasyl ihrer Landeskirchen beziehungsweise Diözesen darüber informieren. Darüber hinaus hätten Kirchengemeinden, schon bevor es zu einem Kirchenasyl kommt, die Möglichkeit, besondere Härtefälle bei ihrer Landeskirche beziehungsweise Diözese einzureichen. Sie würden dann an das BAMF weitergeleitet.

Deutschland 2014: Kirchenasyl nimmt zu

Für das Jahr 2014 wurden insgesamt 430 Kirchenasyle von der BAG dokumentiert: "Davon wurden 387 Kirchenasylfälle neu begonnen. Das bedeutet einen Anstieg von mehr als 500 Prozent im Vergleich zum Jahr 2013, in dem 79 Fälle verzeichnet wurden. In 292 Fällen haben evangelische Gemeinden oder Kirchenkreise und in 85 Fällen katholische Gemeinden und Klöster kirchlichen Schutz geboten. Auch haben 35 Freikirchliche Gemeinden, vier evangelische Studierendengemeinden und zwei jüdische Gemeinden Menschen Zuflucht gewährt. Zusätzlich gab es zwölf ökumenische Kirchenasyle. Mindestens 788 Personen, darunter mindestens 237 Kinder und Jugendliche, fanden 2014 Schutz im Kirchenasyl. Von den im Jahr 2014 dokumentierten Kirchenasylen waren 378 sogenannte 'Dublin-Fälle' (im Vergleich zu 58 'Dublin-II-Fällen' in 2013), mit 698 Personen, darunter 215 Kinder und Jugendliche. Von 212 beendeten Kirchenasylen ist ein positiver Ausgang, das heißt mindestens mit einer Duldung, in 206 Fällen zu verzeichnen. Wie im Jahr 2013 konnten Kirchenasyle auch dazu beitragen, Rückschiebungen innerhalb Europas nach der sogenannten "Dublin-Verordnung "zu verhindern. In 206 Fällen und für 366 Personen konnte eine Rückschiebung in einen anderen europäischen Staat abgewendet werden."