Wohnungen an Flüchtlinge vermieten: So geht's

Ein Mann steht in Strümpfen auf einer Fußmatte, auf der das Wort "Welcome" steht.
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Wohnungen an Flüchtlinge vermieten: So geht's
"Ich habe eine leerstehende Wohnung. Dort könnten Flüchtlinge wohnen. An wen soll ich mich wenden?" Solche oder ähnliche Fragen erreichen evangelisch.de in diesen Wochen immer wieder. Viele Menschen wollen Flüchtlingen privaten Wohnraum anbieten. Das geht – am besten über die örtlichen Sozialämter.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt hatte die Idee schon vor knapp einem Jahr eingebracht und war selbst mit gutem Beispiel vorangegangen: Eine junge Frau aus Afrika lebte für ein Jahr bei ihm, und Patzelt fand: "Das ist alles nicht so kompliziert." Mittlerweile gibt es eine Internet-Initiative zur Vermittlung von WG-Zimmern an Flüchtlinge (fluechtlinge-willkommen.de), und viele Menschen haben gute Erfahrungen mit Flüchtlingen als Mieter oder Mitbewohner gemacht. Einige Kommunen versuchen, Flüchtlinge möglichst schnell in Wohnungen unterzubringen, weil sie dort mehr Privatsphäre haben und ein selbstbestimmteres Leben führen können als in einer Gemeinschaftsunterkunft.

Doch zunächst müssen neu angekommene Flüchtlinge in den Sammelunterkünften bleiben, für einige Monate oder sogar Jahre. Die Zeitspanne ist in den Bundesländern unterschiedlich, manchmal sogar von Kommune zu Kommune. Das Land Bremen zum Beispiel hat die Frist von drei Jahren auf drei Monate verkürzt, damit die Menschen schneller in Wohnungen umziehen können und die Zimmer in den Gemeinschaftsunterkünften für Neuankömmlinge wieder frei werden. Bremen wird, genau wie die Stadt Hildesheim, von Pro Asyl als Vorbild genannt.

In Hildesheim bleiben Flüchtlinge maximal sechs Monate in der Gemeinschaftsunterkunft. Das habe für sie auch Vorteile, findet Sozialdezernent Dirk Schröder: Dort werden die Neuankömmlinge von Sozialarbeitern betreut, erhalten Deutschunterricht und lernen in Kursen, wie das Leben in Deutschland funktioniert – zum Beispiel die Mülltrennung. Es gibt eine Kinderbetreuung und Weihnachtsfeiern.

So betreut nötig, so selbständig wie möglich

Wann ein Flüchtling die Gemeinschaftsunterkunft verlassen und in eine Wohnung oder ein WG-Zimmer umziehen darf, hängt entweder von der zeitlichen Frist ab, die in der Kommune gilt, oder von seinem rechtlichen Status. Nach Informationen von Pro Asyl darf in jedem Fall umziehen, wer aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention als Flüchtling anerkannt ist ("GFK-Flüchtling") oder aus anderen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, zum Beispiel Kriegsflüchtlinge mit "subsidiärem Schutzstatus". Nicht ganz so klar ist die Lage für Menschen im laufenden Asylverfahren mit "Aufenthaltsgestattung" oder Menschen mit einer "Duldung" – hier gelten von Kommune zu Kommune unterschiedliche Regeln. Wer also einen Flüchtling kennt, der bisher in einer Gemeinschaftsunterkunft lebte und jetzt umziehen will, sollte zunächst dessen Status in Erfahrung bringen – am besten mit Hilfe einer Beratungsstelle wie Flüchtlingsrat, Diakonie, Caritas, AWO oder einem lokalen Verein.

Wer noch keinen Flüchtling persönlich kennt und einfach freien Wohnraum anbieten will – sei es eine Wohnung oder ein Zimmer – wendet sich am besten an das örtliche Sozialamt, das entweder bei der Kommune oder bei der Kreisverwaltung angesiedelt ist. Viele Städte und Gemeinden haben mittlerweile dazu aufgerufen, Wohnraum zu melden, weil die Erstaufnahmeeinrichtungen voll sind. Das Land Bremen konnte in den vergangenen Jahren immer rund die Hälfte aller Flüchtlinge (Ende Juni 2015 waren es 866 Menschen) in privatem Wohnraum unterbringen, berichtet der Pressesprecher des Sozialdezernates, Bernd Schneider. Der Aufenthaltsstatus spielt dafür in Bremen keine Rolle, die Flüchtlinge müssen nur einen Asylantrag gestellt haben. Das Land setzt auf möglichst große Selbständigkeit, deswegen bekommen die Menschen auch keine Sachleistungen, sondern Geld in die Hand. "Einkaufen gehen oder zum Markt gehen ist einer der ersten Schritte, in einer neuen Kultur anzukommen", ist Bernd Schneider überzeugt.

Gefördert durch die Prinzipien des Sozialdezernates, scheint die Integration in Bremen gut zu funktionieren. Immer mehr private Vermieter würden sich melden, von Fremdenfeindlichkeit keine Spur, so Schneider: "Das größte Hindernis für die Vermieter waren nicht Ressentiments, sondern das Bedürfnis, langfristig zu vermieten. Bei Flüchtlingen hat man immer die Sorge, dass sie schnell durch sind mit ihrem Asylverfahren und dann abgelehnt werden." In der Tat müssen die Vermieter mit häufigem Mieterwechsel rechnen, weniger allerdings mit sozialen Problemen: In der ersten Zeit in einer Wohnung werden die Flüchtlinge von Integrationshelfern betreut. Das sind Menschen, die ebenfalls Fluchterfahrung haben. Ihr Job wird in Bremen teils von der Kommune, teils vom Jobcenter finanziert.

Ganz ähnlich funktioniert das System in der Stadt Hildesheim, wo Flüchtlinge nach sechs Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft auf insgesamt 41 Wohnungen verteilt werden (sechs weitere werden zurzeit noch renoviert). Auch hier werden die Menschen von Migranten betreut, organisiert vom Verein Asyl e.V.. In den von der Stadt angemieteten Wohnungen bleiben die Menschen, bis sie eine Anerkennung oder Duldung erreicht haben, und schauen sich danach selbst auf dem freien Wohnungsmarkt um. Ärger mit Vermietern und Nachbarn gebe es kaum, berichtet Sozialdezernent Dirk Schröder – und wenn, dann höchstens, weil der Müll falsch sortiert wurde.

Nicht jeder Flüchtling ist WG-tauglich

Momentan leben laut Schröder rund 500 Flüchtlinge in Hildesheim, je zu einem Drittel in der Gemeinschaftsunterkunft, in den von der Stadt organisierten Wohnungen und in selbst gemieteten Wohnungen. Für die Organisation des Systems wurde im Rathaus eine Stelle eingerichtet. Als nächsten Schritt will Schröder Kontakt zur Universität aufnehmen und fragen, ob einzelne Flüchtlinge auch in Studenten-WGs wohnen könnten.

Wohngemeinschaften funktionieren vermutlich am besten mit jungen Menschen. Pro Asyl warnt indirekt vor dieser Wohnform, gerade wenn neue Mitbewohner aus fremden Kulturen einziehen. "Flüchtlinge sind so vielfältig wie Menschen eben sind, sie sind unterschiedlich gebildet, und nicht jede/r ist sympathisch", heißt es in einem Leitfaden von Pro Asyl, und Referentin Andrea Kothen bekennt: "Die meisten Leute, die ich kenne, sind nicht unbedingt WG-tauglich." Bei Flüchtlingen kommen Erfahrungen von Krieg, Verlust und Flucht dazu, die psychisch so belastend sein können, dass das Wohnen in einer WG ihnen selbst und den Mitbewohnern nicht zumutbar ist. All das sollten die Wohngemeinschaften bedenken und – falls sie doch einen Flüchtling aufnehmen – unbedingt die Vereinbarungen treffen, dass beide Seiten das Zusammenwohnen jederzeit wieder beenden dürfen.  

Vereinbarungen und Verträge sind in jedem Fall wichtig, egal ob WG, Einliegerwohnung oder Doppelhaushälfte. So rät Pro Asyl Vermietern dazu, unbedingt einen Mietvertrag abzuschließen – selbst wenn sie auf Mieteinnahmen ganz verzichten wollen. Wer den Vertrag auf Mieterseite unterschreibt und zahlt, hängt vom Status des Flüchtlings ab: Bei noch laufendem Verfahren oder ungeklärtem Status ist die Kommune der Vertragspartner. Flüchtlinge, die schon in einem sicheren Status sind und Geld verdienen, können selbstverständlich eigenverantwortlich eine Wohnung mieten. Oft kämpfen diese Menschen mit Vorurteilen und können sich nicht gegen andere Mieter durchsetzen. "Ihnen tun Sie einen besonderen gefallen, wenn Sie eine Wohnung anbieten", hebt Pro Asyl hervor.

Checkliste: Wohnraum für Flüchtlinge anbieten

1. Die Wohnung muss bewohnbar sein.

2. Wohnung bei der Kommune oder Kreisverwaltung (meistens: Sozialamt) melden.

3. Das Amt prüft, ob die Wohnung geeignet ist.

4. Vermieter und Amt unterschreiben einen Mietvertrag.

5. Flüchtlinge werden zugeteilt. 

6. In einer WG: Vereinbarungen treffen.