TV-Tipp des Tages: "Das Kindermädchen" (ZDF Neo)

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TV-Tipp des Tages: "Das Kindermädchen" (ZDF Neo)
TV-Tipp des Tages: "Das Kindermädchen", 21. Dezember, 21.45 Uhr auf ZDF Neo
Eine uralte Schuld, ein ebenso altes Verbrechen, über sechzig Jahre des Schweigens, all das gewürzt mit Kriminalistik, Dramatik und Romantik: kein Wunder, dass Elisabeth Herrmanns Roman "Das Kindermädchen" als deutschsprachiger "Krimi des Jahres 2005" gekürt worden ist.

Die Handlung kombiniert gleich diverse Genres. Sie erzählt von detektivischer Arbeit und vom gesellschaftlichen Aufstieg, sie handelt von Standesdünkel und strammer nationaler Gesinnung, ist also gleichzeitig Sittengemälde, Krimi und Romanze. Aber ganz gewiss kein Thriller, wie das ZDF den Film bei der Erstausstrahlung bewarb; das Etikett muss man schlicht ignorieren. Sehenswert ist die Verfilmung (die Autorin hat ihren Roman selbst adaptiert) dennoch, und das nicht nur wegen der ungewöhnlichen und ungewöhnlich komplexen Geschichte: Carlo Rola, ohnehin ein Regisseur, der seine Darsteller regelmäßig zu Bestleistungen motiviert, konnte mit einem großartigen Ensemble arbeiten.

Ein jahrzehntelang verschwiegenes Familiendrama

Auslöserin der Handlung ist eine alte Ukrainerin, die 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Freundin mit einem Brief nach Berlin schickt. Sie pocht auf ihre Entschädigung als Zwangsarbeiterin, da sie gegen Kriegsende als Kindermädchen für die angesehene Adelsfamilie von Zernikow tätig war. Kaum hat die Freundin das Schreiben zugestellt, wird sie tot aus einem Kanal gefischt. Einem Anwalt lässt die Sache keine Ruhe. Seine Nachforschungen decken schließlich ein jahrzehntelang verschwiegenes Familiendrama auf, das in engem Zusammenhang mit einem Kunstraub steht.

Allein diese Erzählebene hätte genug Stoff für einen eigenen Film geboten. Im Grunde ist die Geschichte ohnehin zu komplex für neunzig Minuten, weshalb die Krimihandlung schließlich allzu flott beendet werden muss. Die Komplexität der Charaktere, die Familiengeschichte, die politische Seite: All das kann oft nur angedeutet werden. Zentrale Figur der Geschichte ist der aus einfachen Verhältnissen stammende Anwalt: Joachim Vernau (Jan Josef Liefers), designierter Partner in der Kanzlei von Utz von Zernikow (Matthias Habich), ist dabei, per Heirat mit der Tochter seines Chefs (Natalia Wörner) Mitglied der Familie zu werden. Da Jan Josef Liefers den Mann mit gesunder ironischer Distanz verkörpert, fällt es ihm später vergleichsweise leicht, auf Abstand zu gehen. Gerade die kühle Patriarchin (Inge Keller), die sich später als grausige Eminenz entpuppt, lässt ihn als Emporkömmling ihre Verachtung spüren.

Als Vernau die Familie auffordert, sich zum einstigen Kindermädchen zu bekennen, stößt er auf unterschiedlichste Formen der Ablehnung. Gerade sein Schwiegervater in spe, der als Kind große Schuld auf sich geladen hat, erweist sich als völlig uneinsichtig; und Sigrun, Vernaus Verlobte, hat in erster Linie ihre politische Karriere im Kopf. Einzige Verbündete ist Anwaltskollegin Marie Luise (Stefanie Stappenbeck), die sich beruflich den Interessen der Entrechteten verschrieben hat. Die adelige Sippschaft ist ihr also schon aus Prinzip suspekt, aber ihr Engagement in dieser Sache hat offensichtlich auch private Gründe.

Mit großem Gespür für die dramaturgische Entfaltung der verschiedenen Ebenen weben Herrmann und Rola den Erzählteppich dieser Geschichte, in der sich dank eines Seitenstrangs mit Vernaus Mutter sogar noch Raum für komödiantisch Elemente findet. Diesen auch in den kleineren Nebenrollen ausgezeichnet gespielten Film als Thriller zu annoncieren ist fast schon Etikettenschwindel. Fesselnd ist er trotzdem. Am 12. Januar zeigt das ZDF einen neuen Vernau-Film, "Der Mann ohne Schatten".