Mediziner schlagen straffreie Suizidhilfe durch Ärzte unter Auflagen vor

Mediziner schlagen straffreie Suizidhilfe durch Ärzte unter Auflagen vor
In der Sterbehilfe-Debatte tritt eine Gruppe von Medizinern, Ethikern und Juristen dafür ein, Ärzten die Beihilfe zur Selbsttötung unter strengen Auflagen zu erlauben.

Der am Dienstag in München vorgestellte Gesetzesvorschlag will Ärzten ermöglichen, bei unheilbar Erkrankten mit begrenzter Lebenserwartung straffrei Suizid-Beihilfe zu leisten. Damit solle Rechtssicherheit geschaffen und die Freigabe einer gewerblichen Suizidbeihilfe verhindert werden, sagte Jochen Taupitz, Medizinrechtler und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates. Kritik an dem Entwurf übte der evangelische Sozialethiker Peter Dabrock und Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). 

Der Mediziner-Vorschlag sieht vor, dass die Freiwilligkeit des Suizidwunsches von einem Arzt im persönlichen Gespräch geprüft und der Patient über alle Alternativen, vor allem palliativmedizinischer Art, aufgeklärt werden muss. Zudem muss ein weiterer unabhängiger Arzt hinzugezogen und eine Bedenkzeit von mindestens zehn Tagen eingehalten werden. Formuliert wurde der Vorschlag von dem Palliativmediziner Gian Domenico Borasio, den Medizinethikern Ralf Jox und Urban Wiesing sowie dem Medizinrechtler Jochen Taupitz. Die Wissenschaftler empfahlen zugleich, dass die Hilfe zur Selbsttötung grundsätzlich strafbar bleiben soll. Zudem soll Werbung für die Beihilfe zur Selbsttötung verboten werden.

Der Tübinger Medizinethiker Wiesing argumentierte, die Bundesbürger befürworteten mehrheitlich die Beihilfe zum Suizid. Die unterschiedlichen Vorstellungen von würdevollem Sterben sei zu respektieren. Durch ein bloßes Verbot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe würde sich die Situation, wonach assistierte Selbsttötung ohne Regeln und Kontrollen praktiziert wird, nur verschärfen, warnte der Medizinethiker Jox.

Dabrock: "Weiche" Formulierungen laden zu Missbrauch ein

Auf Kritik stieß der Mediziner-Vorschlag bei dem evangelischen Sozialethiker Peter Dabrock. Der Entwurf habe zur Folge, dass ärztliche Beihilfe zum Suizid zu einer normalen Option am Lebensende werde, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates dem Evangelischen Pressedienst (epd). Faktisch sehe der Vorschlag eine Freigabe der ärztlich assistierten Selbsttötung vor.

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Dabrock kritisierte an dem Entwurf auch handwerkliche Mängel. Die darin formulierten Bedingungen für die Straffreiheit der Suizidassistenz böten keine Sicherheit. Seiner Ansicht nach sind die Voraussetzungen für das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient sowie die Hinzuziehung eines "anderen, unabhängigen Arztes" in dem Entwurf zu unbestimmt formuliert. Solche "weichen" Formulierungen würden geradezu zum Missbrauch einladen.

Als Alternative zur Gewöhnung an die Suizidbeihilfe empfahl der in Erlangen lehrende Theologieprofessor den raschen Ausbau von Pflege, Palliativversorgung und Hospizen. Dies setze allerdings Geld und politischen Willen voraus, argumentierte Dabrock. Suizid-Beihilfe sollte grundsätzliche als rechtswidrige Tat verstanden, aber rechtlich mit größter Billigkeit, gegebenenfalls Straffreiheit beurteilt werden, sagte der Theologe.

Auch die Bundesärztekammer widersprach dem Vorschlag. Die Mitwirkung von Ärzten bei der Selbsttötung sei keine ärztliche Aufgabe, sagte Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery. Er erinnerte an die Berufsordnung, wonach es Aufgabe der Ärzte sei, "das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern sowie Sterbenden Beistand zu leisten". Ähnlich argumentierte die bayerische Gesundheitsministerin Huml. "Eine Regelung, die dazu führen kann, dass Mediziner bei schwerstkranken Menschen Beihilfe zum Selbstmord leisten, lehne ich auch als Ärztin entschieden ab", sagte sie.

Der Bundestag will die Debatte über Sterbehilfe nach der Sommerpause beginnen. Die Beihilfe zum Suizid ist derzeit in Deutschland nicht strafbar, solange der Patient etwa ein tödliches Medikament selbst und aus freiem Willen einnimmt.