EU will Ausbeutung entsandter Arbeitskräfte eindämmen

EU will Ausbeutung entsandter Arbeitskräfte eindämmen
Die EU-Kommission will härter gegen Lohn- und Sozialdumping in Branchen mit vielen ausländischen Arbeitskräften vorgehen. Dafür will Brüssel hohe Hürden für Kontrollen gegen Schwarzarbeit setzen. Die Kommission plant zudem, das Streikrecht in Europa zu verbriefen.

Sozialkommissar László Andor stellte am Mittwoch in Brüssel ein Gesetzpaket für einen besseren Schutz entsandter Arbeitnehmer vor. Die Entwürfe zielen laut Andor darauf ab, geltende Standards besser durchzusetzen und die Überwachung zu verschärfen. Die meisten Missbrauchsfälle gebe es im Moment im Baugewerbe, wo jeder vierte innereuropäisch entsandte Arbeitnehmer tätig sei, erläutert die Kommission.

Als "entsandt" wird ein Angestellter bezeichnet, der vorübergehend in einem anderen als seinem regulären Herkunftsland beschäftigt ist. Häufig kommen die Arbeiter aus Staaten mit niedrigen Sozialabgaben und Löhnen, etwa in Osteuropa. Allerdings sind im Einsatzland eine Reihe von Schutzstandards einzuhalten, die zum Beispiel Mindestlöhne, die Höchstarbeitszeit und den bezahlten Urlaub betreffen. Brüssel will den Schutz unter anderem durch bessere Beschwerdeverfahren sicherstellen.

Sozialdemokraten: Vorschläge gehen nicht weit genug

Die Kommission will auch den Kampf gegen Briefkastenfirmen vorantreiben, mit deren Hilfe Sozialsysteme umschifft und Kontrollen untergraben werden. Auch deutsche Firmen seien in erheblichem Maß in Missbrauchsfälle dieser Art verwickelt, unterstrich ein Experte der Behörde. Im Baugewerbe will die Kommission die gesamtschuldnerische Haftung für Löhne und Gehälter einführen.

[listbox:title=Mehr im Netz[Pressemitteilung der EU-Kommission (Englisch)]]

Sozialdemokratische EU-Parlamentarier kritisieren allerdings, die Vorschläge der Kommission gingen nicht weit genug. "Vor allem fehlen klare Bestimmungen zu Subunternehmerketten", sagte etwa die Abgeordnete Jutta Steinruck in Brüssel. Das Europaparlament und die 27 EU-Regierungen entscheiden gemeinsam über die Vorschläge.

Gesetzentwurf könnte Schwarzarbeit in Deutschland erleichtern

Einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt" zufolge ist der EU-Vorschlag für Deutschland sogar kontraproduktiv und erleichtert die Schwarzarbeit. Die Behörden hätten künftig weniger Möglichkeiten zu Kontrollen, schreibt das Blatt (Mittwochausgabe). "Es ist völlig unverständlich, warum die EU-Kommission deutschen Behörden misstraut", wird der CDU-Europaabgeordnete Thomas Mann zitiert.

Kommissar Andor sagte, er habe erst in der vergangenen Woche in Berlin mit Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gesprochen. "Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits überzeugt, dass die Bedenken hinsichtlich der Vor-Ort-Kontrollen und ähnlicher Fragen nicht mehr existieren", sagte er. Vom Bundesarbeitsministerium kam zunächst keine Stellungnahme: Experten wollten den Kommissionsvorschlag erst einmal prüfen.

Für Empörung im sozialdemokratischen und linken Lager sorgte indessen ein Gesetztext der Kommission, in dem es um das Spannungsverhältnis zwischen dem Streikrecht und der internationalen Dienstleistungsfreiheit geht. Laut Andor stehen diese beiden Prinzipien künftig gleichberechtigt nebeneinander. "Die Verordnung insgesamt atmet aber weiter den alten Geist: Die wirtschaftlichen Freiheiten stehen über den sozialen Grundrechten", sagte der Linken-Abgeordnete Thomas Händel. Auch die Sozialdemokratin Steinruck rief ihre Fraktion auf, den Kommissionstext in der aktuellen Form abzulehnen.

epd