Supermarkt-Boom in Afrika verdrängt den Straßenhandel

Supermarkt-Boom in Afrika verdrängt den Straßenhandel
Shopping-Center neben Straßenhändler: Experten streiten, ob die Supermarkt-Ketten Afrikas neue Chancen oder eine ruinöse Verdrängung bringen.
16.03.2012
Von Saara Wendisch

Die Ausbreitung von Supermarktketten in Afrika findet ein geteiltes Echo. Traditionelle Familienbetriebe gerieten dadurch in Bedrängnis, sagt Franziska Humbert von der Entwicklungsorganisation Oxfam. Der kenianische Ökonom James Shikwati wertet die "Supermarkt-Revolution" hingegen als Fortschritt. Die Selbstbedienungsläden böten den Bauern neue Marktchancen.

Die Oxfam-Expertin Humbert stützt ihre Befürchtungen auf Erfahrungen in Indien. "Gerade in den Großstädten, die im Visier der großen Supermarktketten sind, arbeiten mehrere hunderttausend Straßenhändler und Ladenbesitzer", sagt sie. Studien aus Entwicklungsländern belegten, dass die Einnahmen der Kleinunternehmer besonders in der Nähe großer Shopping-Center erheblich sänken.

Shikwati: Supermärkte gewähren stabile Preise und sichere Einkommensquelle

In Afrika ersetzten Supermarktketten immer mehr die traditionellen Familienunternehmen, schrieb der Wirtschaftswissenschaftler Shikwati in einem Beitrag für das Magazin "Welt-Sichten" (März-Ausgabe). Der Kenianer verweist auf Schätzungen, wonach Supermärkte bereits mehr als die Hälfte des Lebensmitteleinzelhandels in Südafrika bestreiten, in Kenia knapp ein Drittel.

Die Supermärkte gewähren laut Shikwati ihren Lieferanten im Gegensatz zu Kleinhändlern "stabile Preise und eine verlässliche Einkommensquelle". Die Landwirte wiederum müssten eine hohe Qualität bieten und strenge Sicherheitsstandards bei Lebensmitteln erfüllen. Dadurch entstehe in Kenia eine neue Unternehmenskultur: Bisher sei die kleinbäuerliche Landwirtschaft von Schulabbrechern, Alten und Arbeitslosen betrieben worden. Jetzt gebe es einen Anreiz für junge, gut ausgebildete Leute, in der Landwirtschaft zu arbeiten.

Kleinbauer brauchen Förderung, um mithalten zu können

Supermärkte treiben dem Ökonomen zufolge auch die Direktinvestitionen innerhalb Afrikas nach oben. So expandierten ostafrikanische Handelsketten in Nachbarstaaten, schreibt der Wirtschaftswissenschaftler, der vor einigen Jahren mit der Forderung nach Abschaffung der Entwicklungshilfe in Afrika Aufsehen erregt hatte.

Oxfam führt Untersuchungen zum Metro-Konzern in Indien an. Demnach haben indische Lieferanten trotz höherer Preise als im traditionellen Lebensmittelhandel keine Einkommenssicherheit. Kleinbauern, die ums Überleben kämpften, würden verdrängt. "Denn die Schere zwischen den Anforderungen der Supermarktketten und der Leistungsfähigkeit kleinbäuerlicher Betriebe treibt immer weiter auseinander", sagte Humbert. Die Gefahr sei eine Konzentration auf einige wenige kapitalintensive und industrielle Produktionsstätten im Nahrungsmittelsektor.

Auch Shikwati räumt in seinem Artikel ein, dass der Wandel im Lebensmittelhandel bisher die Kleinbauern weitgehend missachte: Sie hätten schlechte Chancen, den strikten Vorschriften der Supermärkte gerecht zu werden. Der Ökonom schlägt deshalb vor, Kleinbauern gezielt zu fördern, "etwa indem man sie weiterbildet oder ihnen die Gründung von Unternehmen erleichtert".

epd