"Unüberbrückbare Differenzen" mit den Mormonen

"Unüberbrückbare Differenzen" mit den Mormonen
Mitt Romney ist Mormone. Der in den Vorwahlen der Republikaner in Führung liegende US-Präsidentschaftskandidat könnte der mächtigste Politiker der Welt werden - aber woran glaubt er eigentlich? In Deutschland gelten die Mormonen als "Sondergemeinschaft". Michael Utsch, Referent an der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin, erklärt im Interview für evangelisch.de, was sie mit den etablierten christlichen Kirchen verbindet - und was Mormonen von Protestanten unterscheidet.
06.03.2012
Die Fragen stellte Benjamin Lassiwe

Herr Dr. Utsch, wer sind eigentlich die Mormonen?

Michael Utsch: Die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage", "Mormonen" genannt, ist eine Religionsgemeinschaft, die 1830 in den USA gegründet wurde und sich in den letzten Jahrzehnten weltweit ausgebreitet hat. Ihr Gründer Joseph Smith (1805-1844) will als Jugendlicher neue Offenbarungen von Gottes Heilsplan erhalten haben, wie er im "Buch Mormon" niederschrieb. Diese heilige Schrift hat bei den Mormonen höchste Priorität, aber es wird auch in der Bibel gelesen. Sie ist in über 100 Sprachen übersetzt worden. In Deutschland leben etwa 36.000 der weltweit über 12 Millionen Mormonen.

Worin unterscheidet sich der Glaube der Mormonen von den Glaubensinhalten evangelischer Kirchen?

Utsch: In Smiths "Buch Mormon" wird das Wirken Jesu Christi auf dem amerikanischen Kontinent geschildert, wo er kurz nach seiner Auferstehung tätig gewesen sein soll. Amerika wird als auserwähltes Land beschrieben, in dem Christus eine weitere Kirche gegründet habe. Dort vermuten die Mormonen auch das Paradies, und die Wiederkunft Christi soll sich ihrer Ansicht nach dort ereignen. Gott sei früher ein Mensch gewesen, der sich durch das Studium der "kosmischen Gesetze" zur Gottheit emporgearbeitet habe. Bis heute sei er jedoch noch ein körperliches Wesen, der auf einem fernen Planeten residiere. Die Dreieinigkeit wird abgelehnt. Im Mittelpunkt steht der Mensch, der wie Gott werden könne.

Was haben wir evangelischen Protestanten mit den Mormonen gemeinsam?

Utsch: Es gibt zahlreiche Gemeinsamkeiten in der Ethik und Moral. Der persönliche Einsatz und das ehrenamtliche Engagement sind bewundernswert. Auch die hohe Wertschätzung von Ehe und Familie bei den Mormonen und die aufmerksame Sorge für verlässliche zwischenmenschliche Bindungen sind vorbildlich.

"Die theologischen Differenzen

lassen eine

Zusammenarbeit nicht zu"

 

Wie ist das Verhältnis zwischen EKD und Mormonen? Wird die Taufe anerkannt?

Utsch: Ab und zu findet ein interreligiöses Gespräch zwischen Vertretern beider Glaubensrichtungen statt, das jedoch von den Mormonen als ein ökumenisches Gespräch angesehen wird. Die mormonische Taufe wird von der EKD und den meisten Kirchen im lutherischen Weltbund nicht anerkannt, weil die Unterschiede im Menschen- und Gottesbild zu gravierend sind.

Gibt es Dinge, die besonders kritisiert werden?

Utsch: Die geheimen Tempelkulte in den für Nicht-Mormonen verschlossenen heiligen Stätten sind biblisch-theologisch nicht verständlich. 1985 wurde ein solcher Tempel im sächsischen Freiberg eingeweiht, 1987 im hessischen Friedrichsdorf. Die im Tempel angebotenen heiligen Handlungen - etwa die "Siegelung" (Bindung) eines Ehepaars bis in alle Ewigkeit - werden von den Mormonen als heilsnotwendig angesehen. 

Was müsste passieren, damit möglicherweise Zusammenarbeit möglich wird?

Utsch: Obwohl die Mormonen in den letzten Jahren ein stärkeres ökumenisches Interesse äußern, lassen die unüberbrückbaren theologischen Differenzen eine Zusammenarbeit nicht zu.


Dr. Michael Utsch ist Referent an der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin, unter anderem zuständig für Psychologische Aspekte neuer Religiosität und Sondergemeinschaften wie eben die Mormonen.

 

Benjamin Lassiwe ist freier Journalist in Berlin.