Neonazi wird nach Totschlag Pastor

Neonazi wird nach Totschlag Pastor
Als jugendlicher Skinhead erschlägt Johannes Kneifel einen Mann - in der Haft wandelt er seine Gesinnung und wird jetzt Pastor. Er tritt auf gegen Rechtsextremismus - am Ort der Tat in der Lüneburger Heide tut die Bevölkerung sich indes mit dem Kampf gegen Neonazis schwer.
24.02.2012
Von Michael Evers

An Konzepten im Kampf gegen Rechtsextremismus mangelt es in Niedersachsen nicht - aber an einem der norddeutschen Schwerpunkte der Neonazis in der Lüneburger Heide haben es Gegner nicht leicht. Demonstrationen gegen rechte Treffen auf einem Hof in Eschede finden kaum örtliche Unterstützung. Seit Jahren versucht auch eine Initiative vergeblich, einen Gedenkstein für einen 1999 von zwei Skinheads erschlagenen Mann zu errichten.

Einer der Totschläger von damals stellt sich inzwischen aber entschieden gegen Rechts: Johannes Kneifel studiert Theologie und ist auf dem Weg, Pastor zu werden. Bei der evangelischen Kirche ist der Aussteiger regelmäßig überzeugungsstarker Gast bei Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus. Ruhig und konzentriert redet der 29-Jährige über das, was er damals von der Neonazi-Szene mitbekommen hat, von seinem Weg zu Gott und der Kirche, von Schuld und Vergebung. Gerade schreibt der Theologie-Student an seiner Lebensgeschichte "Vom Saulus zum Paulus".

Kneifel tritt mit seinen Springerstiefeln...

Kneifel ist 17, als er im August 1999 mit einem ein Jahr älteren Kumpanen die Tür des 44-jährigen Peter Deutschmann eintritt. Dieser hatte sich gegen das rechte Gebaren der Skinheads ausgesprochen. Angetrunken und aufgeputscht von rechter Musik prügeln die Zwei auf ihn ein. Kneifel tritt mit seinen Springerstiefeln, bis sein Kumpel ihn wegzerrt. Am nächsten Tag ist Deutschmann tot.

[reference:nid=58453]

"Natürlich ist es so, dass ein Menschenbild in der Szene vorherrscht, was zu solchen Entwicklungen führt, was Gewalt legitimiert", meint Kneifel heute. Die beiden erhalten fünf Jahre Jugendstrafe. Im Gefängnis kümmert sich eine Kirchengemeinde um Kneifel, ihm gelingt der Ausstieg.

In Kontakt zu dem Theologiestudenten steht Pastor Wilfried Manneke, der auch am Tattag in Eschede Dienst hatte und im Netzwerk gegen Rechtsextremismus Südheide aktiv ist. "Wir wollen einen Gedenkstein aufstellen für Peter Deutschmann. Seit vielen Jahren haben wir die Zustimmung vom Rat der Gemeinde nicht bekommen."

"Unglaublich, wie ignorant die Bevölkerung in Eschede ist"

Bürgermeister Günter Berg räumt ein: "Das Thema ist sehr, sehr schwierig." Deutschmann sei wenigen im Ort bekannt, und ein Gedenkstein könne die Zerstörungswut der Rechten provozieren, dies habe zur Ablehnung des Gemeinderats geführt.

Auf Protest der Neonazi-Gegner stoßen auch Treffen auf dem Hof eines rechten Landwirts nahe Eschede, der Verfassungsschutz registriert dort einen starken Zulauf aus der norddeutschen Neonazi-Szene. "Es ist unglaublich, wie ignorant die Bevölkerung in Eschede ist", empört sich Manneke. Den Neonazi-Gegnern werde vorgeworfen, mit ihren Protesten die Rechten erst groß gemacht zu haben und dem Ansehen des Ortes zu schaden. "Die Bevölkerung erwartet von uns, dass wir die Klappe halten."

Bürgermeister Berg sagt: "Es ist schwierig, die Bevölkerung zu motivieren mitzumachen." Er versuchte vor einigen Jahren, mit Vereinen und Nachbarbürgermeistern einen Arbeitskreis zu initiieren. "Bescheiden hat sich etwas getan." Die von den Rechten auf den Plan gerufene Antifa habe bei Demos zu einem großen Polizeiaufgebot im Ort geführt - obwohl es keine Ausschreitungen gab, habe die Bevölkerung darauf verschreckt reagiert.

Unterdessen ist Manneke selber Opfer mutmaßlich rechter Täter geworden, gegen sein Haus wurde Mitte Dezember ein Molotowcocktail geschleudert. Die Ermittlungen kämen nicht voran, klagt er.

dpa