"Les adieux à la Reine": Revolution zum Berlinale-Start

"Les adieux à la Reine": Revolution zum Berlinale-Start
Das Bären-Rennen hat begonnen. Mit dem französischen Revolutionsdrama "Les adieux à la Reine" wurden am Donnerstagabend die 62. Internationalen Filmfestspiele Berlin eröffnet.
10.02.2012
Von Rudolf Worschech

Mehr als 1.600 Gäste waren zu der Gala in den Berlinale-Palast am Potsdamer Platz gekommen - darunter fast die komplette deutsche Filmprominenz, aber auch internationale Schauspieler und Filmemacher. Aufbrüche und Umbrüche in der Gesellschaft sind das Schwerpunktthema des diesjährigen Filmfestivals Berlinale vom 9. bis 19. Februar. 18 Beiträge konkurrieren um den Goldenen Bären.

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Am Donnerstagabend hat sich der Vorhang im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz zum ersten Mal gehobe: Zur Eröffnung des Wettbewerbs 2012 zeigen die Berliner Festspiele "Les adieux à la Reine". In seinem Kostümfilm mit Diane Kruger und Léa Seydoux beschreibt der französische Regisseur Benoît Jacquot die Französische Revolution aus der Sicht der Dienerschaft in Versailles. Der Film entstand nach einem Roman von Chantal Thomas, er läuft als Weltpremiere in Berlin.

Drei deutsche Weltpremieren haben Bären-Chancen

Weitere Weltpremieren sind etwa der neue Film des philippinischen Regisseurs Brillante Mendoza, "Captive", in dem Isabelle Huppert eine von der Terroristengruppe Abu Sayaf gekidnappte Entwicklungshelferin spielt, der neue Film der Brüder Taviani, "Caesar Must Die", und Billy Bob Thorntons "Jayne Mansfield´s Car", der in Koproduktion mit Russland entstanden ist.

Ebenfalls Weltpremieren sind die drei deutschen Beiträge: In "Barbara" schildert Christian Petzold die Biografie einer Ärztin in der DDR 1980, die einen Ausreiseantrag gestellt hat und in die Provinz abgeschoben wird. "Was bleibt" von Hans-Christian Schmid ist die Geschichte einer Familie, die zusammenbricht. Und in "Gnade" von Matthias Glasner wandert ein deutsches Paar nach Norwegen aus, sucht dort nach einem Neuanfang, wird aber mit einer alten Schuld konfrontiert. Vor einigen Jahren hatte Glasner mit seinem Vergewaltiger-Drama "Der freie Wille" in Berlin für Diskussionen gesorgt.

In den Wettbewerb eingeladen sind auch die neuen Arbeiten des ungarischen Enfant terrible Benedek Fliegauf (dessen erster Film "Dealer" im Forum der Berlinale lief), von Stephen Daldry ("Extrem laut und unglaublich nah") und Zhang Yimou, der sich in sich in "The Flowers of War" mit dem Nanking-Massaker beschäftigt. Es ist ein Wettbewerb, der auf Entdeckungen hoffen lässt.

Goldener Ehrenbär für Meryl Streep

Der Goldene Ehrenbär geht in diesem Jahr an die Schauspielerin Meryl Streep für ihr Lebenswerk. Ihr zu Ehren läuft auf dem Festival auch eine Hommage mit insgesamt sieben Filmen. Zur Preisverleihung wird "Die Eiserne Lady" aufgeführt. In dem Film spielt Streep die frühere Premierministerin Großbritanniens, Margaret Thatcher. Zum Programm der Hommage gehören unter anderem die Filme "Kramer gegen Kramer", "Sophies Entscheidung" und "Die Brücken am Fluss", allesamt Klassiker des neueren amerikanischen Kinos.

Das Großereignis der Retrospektive des Festivals, die in diesem Jahr die "linke" deutsch-russische Filmfirma Meschrabpom vorstellt, ist die restaurierte Fassung des Stummfilmklassikers "Oktober" von Sergej Eisenstein, der die russische Revolution nachzeichnet. Auch in der Sektion Berlinale Special läuft ein neu restaurierter Film: "The Life And Death of Colonel Blimp" des legendären Duos Michael Powell und Emeric Pressburger. Weltpremieren in dieser Sektion sind "Glück", der neue Film von Doris Dörrie sowie "I, Anna" von Barnaby Southcombe mit Charlotte Rampling und Gabriel Byrne.

Nicht immer war in der Vergangenheit beim Special die Abgrenzung zur Sektion Panorama deutlich sichtbar. In ihr laufen im Jahr 2012 etwa die neuen Filme von Tony Gatlif ("Indignados"), Hou Hsiao-hsien ("10 + 10") sowie "The Woman Who Brushed Off Her Tears" von Teona Strugar Mitevska mit Victoria Abril. Einer der Schwerpunkt der Panorama-Dokumente sind Dokumentarfilme aus der arabischen oder über die arabische Welt. Drei in Kairo angesiedelte Filme etwa stellen den "Arabischen Frühling" vor.

"Berlinale goes Kiez"

Da dürfte es rege Diskussionen unter den Mitgliedern der Internationalen Jury geben, die in diesem Jahr hochkarätig besetzt ist. Der britische Regisseur Mike Leigh präsidiert einem erlauchten Gremium; ihm gehören der niederländische Fotograf und Filmemacher Anton Corbijn, der iranische Regisseur Asghar Farhadi (Nader & Simin), die französisch-britische Schauspielerin Charlotte Gainsbourg, der amerikanische Schauspieler Jake Gyllenhaal, der französische Regisseur François Ozon, der algerische Schriftsteller und Friedenspreisträger Boualem Sansal sowie die deutsche Schauspielerin Barbara Sukowa an.

Neben den begehrten Bären-Trophäen wird zudem auch wieder die Berlinale Kamera verliehen. Jeweils eine Kamera geht an das Studio Babelsberg, das in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert und Ray Dolby, der den Surround-Sound fürs Kino erfunden hat. Geehrt wird mit der Berlinale-Kamera auch der Regisseur Haro Senft, einer der Unterzeichner des Oberhausener Manifests, dessen Verkündung sich am 28. Februar zum 50. Mal jährt. Haro Senft hat sich vor allem um den deutschen Kinder- und Jugendfilm verdient gemacht. Außerdem wird wieder der beste Erstlingsfilm mit 50.000 Euro prämiert.

Auch in der Reihe Panorama werden nach Angaben des Programmverantwortlichen Wieland Speck Filme im Fokus stehen, die sich mit Umbrüchen beschäftigen. Unter anderem werden Spielfilme und Dokumentationen über koptische Christen in Ägypten, Neonazis und schwule Männer in der DDR gezeigt. Die Berliner sind zudem wieder zur Sonderreihe "Berlinale goes Kiez" in ausgewählte Programmkinos eingeladen.

epd