Nigeria hat mehr Probleme als nur den Religionskonflikt

Nigeria hat mehr Probleme als nur den Religionskonflikt
Bei den gewaltsamen Übergriffen in Nigeria darf nach Ansicht des Afrika-Beauftragten des Auswärtigen Amts, Walter Lindner, nicht nur von einem "Religionskonflikt" gesprochen werden.
10.01.2012
Von Ann Kathrin Sost

"Es geht im Kern nämlich nicht vorrangig um eine Auseinandersetzung zwischen Muslimen und Christen", sagte Lindner in Berlin. Die Ursachen des Konfliktes seien vielmehr wirtschaftlicher, sozialer und ethnischer Natur. "Die Bundesregierung verurteilt die erneuten Anschläge in Nigeria auf das Schärfste", betonte Lindner. Es sei die Absicht der nigerianischen Terrorzelle Boko Haram, Ressentiments zwischen den einzelnen Religions- und Bevölkerungsgruppen zu schüren. Dem dürfe die Staatengemeinschaft so nicht einfach folgen.

Von der nigerianischen Regierung unter Präsident Goodluck Jonathan erwarte die Bundesregierung, mehr als bisher auf sozialen Ausgleich bedacht zu sein, sagte Lindner. Es könne nicht sein, dass es in einem Land wie Nigeria, das jährlich Milliarden durch Öl einnimmt, solche sozialen Ungleichgewichte gebe. Der landesweite Streik in Nigeria gegen die Erhöhung der Benzinpreise dauert an. Am Dienstag beteiligten sich wieder Millionen wütende Bürger an dem Ausstand.

Lindner (Bild links) erklärte auch, der Aufruf Jonathans zu Ruhe und Versöhnung sei ein Schritt in die richtige Richtung. Positiv bewertete er auch den Bericht einer Regierungskommission zu Boko Haram von Ende September. Die Kommission unter dem früheren nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo hatte zum Dialog aufgerufen und Amnestie für ausstiegswillige Mitglieder der Terrorzelle angeregt.

Die Terrororganisation Boko Haram, die 2011 mehr als 500 Menschen bei Attentaten tötete, soll Kontakte zum Terrornetzwerk Al-Kaida haben. An Weihnachten attackierte die Gruppe vier Kirchen. Der Führer einer christlichen Dachorganisation in Nigeria kündigte unterdessen an, die Mitglieder seiner Organisation wollten sich künftig selbst verteidigen. Damit steigt die Gefahr einer Eskalation der Gewalt durch Racheakte. Die Regierung verhängte in Teilen mehrerer nördlicher Bundesstaaten, in denen Christen eine Minderheit stellen, den Ausnahmezustand.

epd/dpa