Die Not im Niger abseits der Fernsehkameras

Die Not im Niger abseits der Fernsehkameras
Keine Ernte, kein Geld, kein Essen. Für die Menschen im westafrikanischen Niger ist das Alltag. Ihre Not wird weltweit kaum wahrgenommen. Doch nun spitzt sich die Lage zu. Hilfsorganisationen schlagen Alarm.
15.12.2011
Von Marc Patzwald

Nicht nur in Ostafrika herrscht eine Hungersnot, auch im Westen des Kontinents wird die Lage bedrohlich. Eine Million Menschen sind allein im Niger unmittelbar von Hunger bedroht, warnt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Das Hilfswerk stellt sich darauf ein, bald 3,3 Millionen Menschen in dem westafrikanischen Land mit Lebensmitteln unterstützen zu müssen.

Dürren, Überschwemmungen, Missernten und hohe Nahrungsmittelpreise - die rund 16,5 Millionen Einwohner des Niger stehen jedes Jahr vor den gleichen Problemen: Armut und Hunger sind ihr Los, und die Krisen häufen sich. "Die Regenfälle sind unberechenbarer geworden", sagt Gabriele Bargel, Projektreferentin bei Caritas international. Anfang des Jahres habe zudem eine Schädlingsplage in manchen Regionen einen Großteil der Mais- und Hirsefelder zerstört.

Der Niger hat weltweit den zweitniedrigsten Lebensstandard

Der Niger liegt in der Sahelzone. Dreieinhalb mal so groß wie Deutschland, besteht das Land zu großen Teilen aus Sand- und Steinwüsten, die in die Sahara übergehen. Im Süden liegt die Trockensavanne. Der Niger ist abhängig von Lebensmitteleinfuhren, ein "strukturelles Hungerland".

Wilhelm Thees vom katholischen Hilfswerk Misereor berichtet von Problemen in der gesamten Region. Auch im Tschad, in Mauretanien und im Senegal seien die Ernten um bis zu 25 Prozent niedriger ausgefallen als 2010. Zu den geringeren Erträgen kommen die heimkehrenden Gastarbeiter aus Libyen. Oft stammen sie aus den ärmsten Regionen des Niger und kehren nun fast mittellos dorthin zurück.

Der Niger hat weltweit den zweitniedrigsten Lebensstandard. Das Land ist in diesem Jahr Vorletzter von 187 Staaten in dem Ranking, das das UN-Entwicklungsprogramm anhand seines Index' für menschliche Entwicklung erstellt. Nur der Kongo liegt dahinter.

Die Bevölkerung im Land wächst und das Wasser wird knapp

"Die Verarmung im ländlichen Raum schreitet heftig voran", sagt Thees. Zwar seien die Märkte gut bestückt, doch nur wenige könnten sich die teuer gewordenen Lebensmittel leisten. Weder Kleinbauern noch Tierhalter hätten Reserven für schwierige Zeiten. Dass die Bevölkerung im Niger ansteige, sei ein weiteres Problem. Außerdem seien Bauern in den vergangenen Jahrzehnten in den Norden gezogen und hätten Viehzüchtern Weideland genommen. Kleinbauern und Tierhalter stehen im Sahel in einem ständigen Konflikt um Land und Wasser.

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Wichtig seien nun staatliche Eingriffe, erklärt der Entwicklungsexperte. Dazu gehörten der Aufkauf von Vieh, der Aufbau von Getreidebanken und eine bessere Lagerhaltung, um die Marktpreise zu stabilisieren. Willi Kohlmus von der Deutschen Welthungerhilfe nennt dazu ein aktuelles Beispiel: So kauft seine Organisation im Rahmen eines Projekts des Bundesentwicklungsministeriums im Niger Rinder auf, schlachtet sie, kocht einen Teil ein und trocknet den anderen, um das Fleisch dann wieder den Not leidenden Viehhaltern zu geben.

Westafrikanische Staaten suchen Hilfe

Immerhin leugnen die Regierungen die Misere nicht. Vertreter der westafrikanischen Staaten hätten sich bereits im Oktober getroffen, um Antworten auf die Ernährungskrise zu finden, erklärt Thees. Während der frühere Präsident Nigers, Mamadou Tandja, eine Hungersnot einfach bestritten hatte, bat die neue Regierung sofort um ausländische Hilfe.

Im Februar 2010 hatte das Militär Tandja gestürzt und zunächst eine Übergangsregierung gebildet. Ende Oktober 2010 stimmte die Bevölkerung für eine neue Verfassung. Und aus der Präsidentenwahl im März 2011 ging der Oppositionspolitiker Mahamadou Issoufou als Sieger hervor. "Die Krise ist da", sagt Entwicklungsexperte Thees. Nun müsse Hilfe geleistet werden, sonst werde die Lage im Februar und März im Sahel ernst. Kritisch könnte es dann in den Monaten Mai bis August werden: "Dann sehen wir, ob die Strategien greifen."

epd

Spenden für die hungernden Menschen in der Sahelzone nimmt unter anderem die Diakonie Katastrophenhilfe entgegen, auch bequem online per Bankeinzug.