Bischof: Leistung der Ostdeutschen stärker würdigen

Bischof: Leistung der Ostdeutschen stärker würdigen
Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus 1961 hat der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge eine stärkere Anerkennung der Leistungen von Ostdeutschen gefordert. "Die historische Leistung der Menschen in den neuen Bundesländern wird im Westen noch zu wenig gewürdigt", sagte er in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Es sei viel von der "Mauer in den Köpfen" geredet worden, so der Geistliche. "Es gibt aber auch eine Barriere in der Seele", erklärte der Bischof. Wer in der DDR aufgewachsen sei, fühle bis heute anders als ein Westler. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, forderte von den Deutschen ein stärkeres Bekenntnis zur eigenen Biografie. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall müsse es möglich sein, eine reine Rechtfertigungshaltung zu überwinden, sagte Jahn mit Blick auf die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit am Samstag im Deutschlandradio Kultur.

Der Berliner Historiker Hubertus Knabe warf den westdeutschen Alt-68ern vor, sich der Auseinandersetzung mit der Rolle des DDR-Regimes in der Studentenbewegung zu verweigern. Sie seien unfähig zum kritischen Umgang mit ihrer Biografie, so Knabe in der "Bild am Sonntag". Er ist Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen.

Jahn: Auch ich habe DDR-System unterstützt

"Wir haben alle mit unserer Biografie dazu beigetragen, dass diese Diktatur so lange existieren konnte", sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Jahn. Er selbst etwa habe das DDR-Regime gestützt, weil er in der Freien Deutschen Jugend und im Grundwehrdienst bei der Bereitschaftspolizei gewesen sei. Der Bundesbeauftragte verteidigte den Versuch, Ex-Stasi-Mitarbeiter aus seiner Behörde zu entfernen. Immer wieder hätten die Opferverbände erklärt, dass es für sie eine Zumutung sei, dass ehemalige Stasi-Mitarbeiter dort arbeiteten.

Bischöf Dröge erinnerte auch an die Einschnitte durch den Mauerbau am 13. August 1961 für das kirchliche Leben in Berlin: "Die Mauer ging mitten durch unsere Kirche hindurch." Kirchengemeinden seien geteilt worden, die Bischöfe Otto Dibelius und später Kurt Scharf hätten nicht mehr in den Ostteil Berlins reisen dürfen, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: "In Ost-Berlin wie in der ganzen DDR waren Mitglieder der Kirche staatlichen Repressionen ausgesetzt."

Das DDR-Regime hatte das Grenzbefestigungssystem 1961 errichtet, um den Flüchtlingsstrom nach Westdeutschland zu stoppen. An der Berliner Mauer kamen zwischen 1961 und 1989 mindestens 136 Menschen zu Tode, darunter 98 Flüchtlinge.

Vorwurf an Alt-68er

Knabe warf den Alt-68ern vor, die Verflechtungen der Studentenbewegung mit dem DDR-Regime zu verdrängen. Die 68er-Bewegung sei "das fruchtbarste Reservoir für Stasi-Zuträger im Westen" gewesen, schrieb Knabe. Doch heute sei kaum einer der Beteiligten bereit, offen darüber zu sprechen. Allein in der West-Berliner APO ("Außerparlamentarische Opposition" der revoltierenden Studenten) habe die DDR-Spionage damals mehr als zwei Dutzend inoffizielle Mitarbeiter und Kontaktpersonen geführt, erklärte Knabe. Auch sei - trotz der Vernichtung vieler Stasi-Akten - hinreichend belegt, wie SED und Stasi die Studentenproteste geschürt und instrumentalisiert hätten.

Angesprochen auf die "Tatsache ihrer engen Freundschaftsbande zu linken Diktaturen" reagierten heute aber viele der damaligen Studentenprotestler "allergisch", so der Historiker. Die Unfähigkeit zum kritischen Umgang mit der eigenen Vergangenheit sei nicht nur ein Kennzeichen der NS-Generation oder systemtreuer DDR-Bürger, auch viele 68er litten unter "Amnesie"und blieben bei einer Lebenslüge.

epd