Freude über Osama-Tod: Merkel und das Mittelalter

Freude über Osama-Tod: Merkel und das Mittelalter
Top-Terrorist Osama bin Laden ist tot. Ein Grund zur Freude? Ja, meint Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit dieser Haltung stößt sie auf Unverständnis in den Kirchen und der CDU, deren Vorsitzende sie ist. Ein Unions-Abgeordneter sprach von "Mittelalter".

"Als Christin kann ich nur sagen, dass es kein Grund zum Feiern ist, wenn jemand gezielt getötet wird", sagte Katrin Göring-Eckardt der "Berliner Zeitung" (Mittwoch). Die Grünen-Politikerin ist Bundestagsvizepräsidentin und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Man kann sich darüber freuen, dass Osama bin Laden nicht mehr als Anführer der Terroristen tätig sein kann. Aber über seinen Tod kann man sich nicht freuen." Es könne nicht die erste Absicht sein, jemanden zu töten, egal, wie schlimm er gehandelt habe. Es wäre richtig gewesen, Bin Laden festzunehmen und einem ordentlichen Verfahren zuzuführen, sagte Göring-Eckardt: "Das wäre einem Rechtsstaat angemessen."

"Rachegedanken, die man nicht hegen sollte"

Die Bundesregierung sieht die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geäußerte Freude an der Tötung Osama bin Ladens angesichts der positiven Folgen als gerechtfertigt an. "Motiv ihrer Freude" sei der Gedanke gewesen, dass von diesem Mann keine Gefahr mehr ausgehen werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Sobald Merkel die Nachricht vom Tod des Terroristenführers empfangen habe, hätten ihre Gedanken den Angehörigen der vielen Tausend Opfer Bin Ladens gegolten.

Merkel hatte nach dem Tod Bin Ladens am Montag von einer "guten Nachricht" gesprochen. "Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten", sagte die Kanzlerin. Wer nur diesen einen Satz gehört habe, könne das "Zusammenwirken von Tod und Freude" vielleicht als unpassend empfunden haben, räumte Seibert ein. Man müsse aber "auf den Gesamtzusammenhang schauen".

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), sagte dem entgegen der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch): "Ich hätte es so nicht formuliert. Das sind Rachegedanken, die man nicht hegen sollte. Das ist Mittelalter." Kauder äußerte auch Zweifel an der rechtlichen Grundlage für die Tötung Bin Ladens: "Eine willkürliche Tötung ist nach dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Freiheiten nicht erlaubt. Wenn man zu dem Ergebnis kommt, Bin Laden war schon längst nicht mehr aktiv, könnte die Tötung willkürlich sein", so der CDU-Politiker.

Auch die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU), ging zu den Äußerungen der CDU-Vorsitzenden Merkel auf Distanz. "Aus christlicher Sicht ist es sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern", sagte die Politikerin, die dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angehört, der "Berliner Zeitung". Gleichzeitig dürfe nicht vergessen werden, dass Osama bin Laden über Jahre hinweg der Drahtzieher unzähliger Terroranschläge in der ganzen Welt war.

"Gerichtsverfahren wäre besser gewesen"

Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck sagte den Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe (Mittwoch), die Würde eines Menschen sei immer zu achten. "Es wäre besser gewesen, wenn sich Bin Laden vor einem Gericht seiner Verantwortung gestellt hätte", sagte der Bischof von Essen. Man könne sich als Mensch und erst recht nicht als Christ über den Tod eines Menschen freuen. "Das gilt auch, wenn er ein Gewalttäter war."

Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider hatte am Dienstag dem epd gesagt, er halte die Erleichterung, mit der auf die Tötung von Osama bin Laden reagiert wird, für nachvollziehbar. Darin komme zum Ausdruck, dass eine "Symbolfigur des internationalen Terrorismus" nun nicht mehr wirken könne. Er wandte sich allerdings dagegen, den Tod eines Menschen mit dem Gefühl der Freude zu verbinden.

Kritik an Merkel kam ebenfalls vom Sprecher des Arbeitskreises Engagierter Katholiken in der CDU, Martin Lohmann. "Das Lebensrecht ist unteilbar", sagte er der "Berliner Zeitung". Die Tötung eines Menschen könne für einen Christen nie Grund zur Freude sein. Froh könne man darüber sein, dass nun die Gefahr des Terrorismus gedämmt sei, doch wäre es besser gewesen, Osama bin Laden festzunehmen und vor Gericht zu stellen.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hält nichts von überschwänglicher Freude über die Tötung Osama bin Ladens. Über den Tod des Terroristen sei er zwar erleichtert, empfinde aber kein Triumphgefühl darüber wie viele Amerikaner, sagte Thierse am Dienstagabend in Saarbrücken. "Uns Deutschen ist hoffentlich jede Feier von militärischen Erfolgen vergangen", fügte er hinzu. In der Frage, ob die Tötung Bin Ladens durch US-Elitesoldaten mit einer christlichen Überzeugung vereinbar ist, wollte sich Thierse nicht festlegen. "Ein ganz einfaches Urteil zu fällen, fällt mir schwer", sagte er.

epd/dpa