"Bürgerarbeit": Ein Erfolgsmodell nur für wenige

"Bürgerarbeit": Ein Erfolgsmodell nur für wenige
Das Modell "Bürgerarbeit" ist bundesweit eher ein Flop. In Sachsen-Anhalt, in dem es für Langzeitarbeitslose schon länger erprobt wird, sind die Erfahrungen gut. Bremsen gibt es aber auch hier.
20.04.2011
Von Doreen Fiedler

Liebevoll nimmt Karin Rasche eine 81-jährige Altenheimbewohnerin in den Arm und streichelt ihr über die Wange. "Für die Bewohner ist das schön, dass wir hier sind und Zeit für sie haben. Und wir bekommen etwas zurück: Sie sind so dankbar", sagt Rasche. Die 49-Jährige aus Magdeburg hat bis vor zwei Monaten noch nie mit alten Menschen gearbeitet. Nun ist sie als sogenannte Bürgerarbeiterin beim Arbeiter-Samariter-Bund tätig, hilft beim Spazierengehen, Vorlesen oder Kuchenbacken. Bürgerarbeit soll Langzeitarbeitslosen helfen, Brücken in den ersten Arbeitsmarkt zu bauen. Bei Karin Rasche sieht es erfolgversprechend aus.

Bürgerarbeit ist die neueste Form der staatlichen Förderung, die zusätzlich zu ähnlichen Programmen wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Ein-Euro-Jobs oder Beschäftigungszuschüssen existiert. 1,3 Milliarden Euro stellt der Bund dafür zur Verfügung. In Sachsen-Anhalt wurde diese Beschäftigungsform seit 2006 in Modellprojekten erprobt. Aufsehen erregten Fälle wie der 4.200-Einwohner-Ort Bad Schmiedeberg, wo die Arbeitslosigkeit von 15,6 auf 6,8 Prozent gesenkt wurde.

Kein Geld: Bibliothek muss ruhen

"Aber nun haben sich die Regeln geändert und dadurch ist vieles komplizierter geworden", sagt der Bürgermeister von Bad Schmiedeberg, Stefan Dammhayn (CDU). Nachdem das voll finanzierte Modellprojekt Ende des Jahres ausgelaufen ist und die Bürgerarbeit in ganz Deutschland eingeführt wurde, hat der Ort keine Bürgerarbeiter mehr. "Die Sachkosten für die Bürokratie, die Gehaltsabrechnungen, die Arbeitskleidung: Das sind monatlich 140 Euro pro Person. Das kann unser hoch verschuldeter Haushalt nicht schultern", sagt Dammhayn.

Das Gehalt der Bürgerarbeiter von monatlich 1.080 Euro bei 30 Wochenstunden zahlt der Bund, doch für das Beantragen und die Betreuung müssen die Träger - Kommunen, Vereine, Sozialorganisationen - selbst aufkommen. Dammhayn ist traurig, dass das Geld in seiner Kommune nicht reicht: "Wir hatten in den vergangenen Jahren mit unseren Bürgerarbeitern eine Bibliothek aufgebaut: Bücher gesammelt, katalogisiert, eine Ausleihe aufgebaut. Die muss derzeit ruhen."

Verbände profitieren von der Bürgerarbeit

34.000 Bürgerarbeitsplätze sollten bundesweit entstehen, doch seit dem Start im Januar haben erst 1.400 Menschen einen solchen Job. Die mit Abstand meisten Bürgerarbeiter sind in Sachsen-Anhalt beschäftigt. "Hier erhalten die Träger ein Coaching während der Bürgerarbeit", sagt Sylvia Kühnel, die das Projekt in Sachsen-Anhalt betreut. In dem Vorreiterland können die Kommunen und andere Antragsteller auf die Unterstützung durch die Jobcenter bis hin zur Einzelbetreuung bauen. Das fehlt in anderen Ländern oft.

Besonders die routinierten Antragsteller wie der Arbeiter-Samariter-Bund und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) profitieren von der Bürgerarbeit. Zwar dürfen sie keine reguläre Beschäftigung ersetzen - aber die zehn Mitarbeiter der DRK-Kleiderkammer in Magdeburg sind alles Bürgerarbeiter. "Vorher haben wir das mit Ein-Euro-Jobbern gemacht", sagt Geschäftsstellenleiterin Britta Goehring.

Den Beschäftigten in der Kleiderkammer sieht man ihr Glück an. Stolz laufen sie in der Arbeitskleidung des Roten Kreuzes zwischen Stapeln fein säuberlich zusammengelegten Jeans und Babystramplern umher. "Endlich habe ich wieder eine Aufgabe", sagt Stefanie Steiniger. Bevor die 40-Jährige arbeitslos wurde, arbeitete sie als Kellnerin. Heute serviert sie Bedürftigen Hemden und Pullis an der Ausgabestelle der Kleiderkammer. Gerne würde sie auch nach den drei Jahren Bürgerarbeit im sozialen Bereich tätig bleiben. "Als Kellnerin bin ich eh zu alt."

dpa