China unterbindet erneute "Jasmin-Proteste"

China unterbindet erneute "Jasmin-Proteste"
Mit allen Mitteln versucht Peking zu verhindern, dass der Funke des Aufstands aus der arabischen Welt nach China überspringt. Zehntausende Polizisten waren am Wochenende im Einsatz, auch ausländische Journalisten waren im Visier der Sicherheitskräfte.

In mehreren chinesischen Städten hat es am Sonntag zum zweiten Mal Ansätze zu sogenannten "Jasmin-Protesten" gegeben. Unbekannte hatten über das Internet einen Aufruf zu Demonstrationen gegen die chinesische Führung gestartet. In Peking verhinderte ein Großaufgebot von Sicherheitskräften die Versammlung. Polizisten nahmen mehrere Menschen fest, darunter vorübergehend auch ausländische Korrespondenten. Zudem gab es Proteste mit mehreren Dutzend Teilnehmern auf dem Volksplatz in Schanghai, die Sicherheitskräfte jedoch ebenfalls sofort beendeten.

Deutsche Reporter wieder frei

Die Organisatoren hatten zum "Nachmittagsspaziergang" aufgerufen und den Aktivisten empfohlen, so zu tun, als ob sie zufällig vorbeikommen. Sie sollten sich auf keinen Fall zu erkennen geben, hieß es in dem anonymen Aufruf, der auf der regimekritischen Webseite "Boxun" Mitte der Woche veröffentlicht wurde.

Zu den vorübergehend festgenommenen Reportern gehörten unter anderem der ZDF-Korrespondent Johannes Hano und einer seiner Kameramitarbeiter sowie das ARD-Fernsehteam. Alle sind wieder auf freiem Fuß. Sie kamen jedoch erst frei, nachdem sie ein Entschuldigungsschreiben unterzeichnet hatten.

Beim ersten Protest vor einer Woche hatten chinesische Sicherheitskräfte nach Angaben des Informationszentrum für Menschenrechte und Demokratie in Hongkong landesweit rund 100 Menschen festgenommen oder sie unter Hausarrest gestellt. Darunter befanden sich zahlreiche Anwälte und Regimekritiker.

Ruf nach politischen Reformen, sozialer Gerechtigkeit und mehr Freiheit

In ihrem Online-Aufruf beziehen sich die unbekannten Initiatoren auf die Jasmin-Revolte in Tunesien und die prodemokratischen Proteste in anderen arabischen Ländern. Ihre Forderung nach einer "Jasmin-Revolution" in China geht einher mit dem Ruf nach politischen Reformen, sozialer Gerechtigkeit und mehr Freiheit.

Die Organisatoren selbst messen der Aktion eher symbolische Bedeutung bei. "Kurzfristig rechnen wir mit keinem tiefgreifenden Wandel", heißt es in ihrem Aufruf. Dennoch solle gegenüber der chinesischen Führung ein deutliches Zeichen gesetzt werden. Am kommenden Freitag beginnt die Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses, auf dem die Regierung den zwölften Fünfjahresplan verabschieden will.

Die chinesischen Sicherheitsbehörden verschärfen seit Tagen die Kontrollen. Internetseiten mit Begriffen wie "Ägypten" oder "Jasmin" sind gesperrt. Zudem erhielten eine Reihe von ausländischen Korrespondenten Warnungen.

"Soziale Stabilität durch steigende Preise bedroht"

Zugleich zeigte sich auch Chinas Premierminister Wen Jiabao besorgt über die Lage im Land. Steigende Preise wirkten sich auf die soziale Stabilität aus, sagte er am Sonntag in einem öffentlichen Online-Chat, über den auch die Staatsmedien berichteten. Wen versprach eine gerechtere Einkommensverteilung und umfangreiche Investitionen in das Sozialsystem. Zudem sagte er Spekulanten den Kampf an.

Ähnlich wie in Tunesien oder Ägypten sind die Preise für Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs auch in China in den vergangenen Monaten in die Höhe geschossen. Im Januar lag die Inflation bei 4,9 Prozent. Lebensmittel verteuerten sich um mehr als zehn Prozent. Die Regierung versucht unter anderem mit der Festsetzung von Fixpreisen auf Grundnahrungsmittel gegenzusteuern.

Sorgen bereitet der kommunistischen Führung insbesondere die andauernde Trockenheit im Nordosten des Landes. In Chinas Kornkammer ist seit fünf Monaten kein Niederschlag mehr gefallen. Bleibt er auch in den kommenden Wochen aus, droht China die schlimmste Dürre seit 60 Jahren.

Aufruf zu neuen Protestaktionen in China

Die unbekannten Organisatoren der Protestbewegung in China haben zu neuen "Spaziergängen" am nächsten Sonntag aufgerufen. Trotz der massiven Sicherheitsvorkehrungen an diesem Wochenende, die mögliche Proteste in zwei Dutzend Städten sofort im Keim erstickten, hieß es in einer Erklärung im Internet, die Aktionen hätten "unsere anfänglichen Erwartungen bei weitem überstiegen".

Die Organisatoren gaben an, ihre "Jasmin-Bewegung" habe sich in 100 Städte ausgebreitet, wofür es allerdings keinerlei Bestätigung gab. Auch verurteilten sie die Festnahmen unschuldiger Menschen. Wer hinter der über soziale Netzwerke verbreiteten Erklärung steckte, blieb unklar.

Der neue Aufruf wurde unter anderem von dem im Exil lebenden Bürgerrechtler Wang Juntao über Twitter verbreitet. Er gilt als einer der "Hintermänner" der 1989 blutig niedergeschlagenen Demokratiebewegung und durfte 1994 auf Druck der USA ausreisen.

epd / dpa