Kein Facebook-Aufstand bei den Palästinensern

Kein Facebook-Aufstand bei den Palästinensern
Wie in den arabischen Unruhestaaten kommuniziert die Jugend auch im Westjordanland über Facebook und Twitter. Und sie ist ebenfalls nicht mit der Politik ihrer Führung zufrieden. An ein Szenario wie in Tunesien, Ägypten oder Libyen glaubt aber niemand.
25.02.2011
Von Miguel Zamorano

Badawi Qawasmi fährt in seinem Wagen an einem Bild von Ex-Palästinenserpräsident Jassir Arafat vorbei. Er schüttelt den Kopf. "Wir Araber sollten aufhören, die Bilder von unseren Präsidenten an die Wände zu kleben, als ob sie Götter seien", sagt der palästinensische Facebook-Aktivist. "Wir Jugendlichen haben es satt, immer von den gleichen Leuten regiert zu werden. Wenn wir aufmucken, heißt es dann, wir seien nicht patriotisch."

Palästinensische Jugend nutzt Facebook

Der 31-jährige Qawasmi hat aufgemuckt. Und zwar wie andere Araber über das Online-Netzwerk Facebook. Gemeinsam mit der 26 Jahre alten Internet-Aktivistin Tala Abu Rahmeh rief Qawasmi kürzlich zu einer Solidaritätsdemonstration in Ramallah mit dem ägyptischen Volk auf. Eine Massenbewegung ist daraus nicht geworden.

Facebook ist nach Google die meistbesuchte Website im Westjordanland, so der Internet-Dienstleister Alexa. "Die Jugend nutzt diese Plattform insbesondere zur Verbreitung von Informationen, Nachrichten und Links", sagt der Internet-Unternehmer Mohammad Chatib. Im Westjordanland leben 2,4 Millionen Palästinenser, davon sind mehr als die Hälfte jünger als 18 Jahre.

Von zu Hause hält Aktivistin Rahmeh ihre Freunde mit Neuigkeiten und Informationsschnipseln über die politische Entwicklung in der arabischen Welt auf dem Laufenden. Sie legt sich aber auch mit der palästinensischen Autonomiebehörde an, lässt ihrem Unmut über die weit verbreitete Korruption freien Lauf. "Einige meiner Freunde haben mir daraufhin gesagt, dass ich meinen Ton mäßigen soll", sagt Rahmeh.

Mehr Meinungsfreiheit in den Palästinensergebieten

Für eine Facebook-Revolution wie in anderen arabischen Ländern scheint die Zeit im Westjordanland noch nicht reif. Internet-Unternehmer Chatib glaubt beispielsweise nicht, dass es zu großen Unruhen kommt. "Die Leute sind zu sehr von der Autonomiebehörde abhängig", sagt er. "So was wie nach den Wahlen von 2006 wollen sie unbedingt verhindern". Damals kam die radikal-islamische Hamas-Organisation an die Macht. Westliche Staaten setzten daraufhin die Hilfszahlungen an die Autonomiebehörde aus.

Felix Dane, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah, führt weitere Gründe an: "Die Palästinenser haben weit mehr Meinungsfreiheit als in anderen Teilen der arabischen Welt, ihre wirtschaftliche Lage ist relativ gesehen besser als in vielen Ländern der Region". Die Palästinenser würden außerdem - trotz aller Probleme mit der Autonomiebehörde - nach wie vor die israelische Besatzung als größeres Übel betrachten.

Die Palästinenserführung arbeite außerdem darauf hin, im September einen funktionsfähigen Staat von der UN-Generalversammlung anerkennen zu lassen. "Damit sowie mit der jüngsten Ankündigung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen bis September hat die Autonomiebehörde den Druck reduziert", sagt Dane.

Autonomiebehörde würde Internet abschalten

Darüber hinaus versucht die Palästinenserführung, einer möglichen Bedrohung durch soziale Netzwerke im Internet vorzubeugen. Der amtierende Ministerpräsident Salam Fajad will sich sogar an die Spitze der Bewegung setzen. Er rief via Facebook dazu auf, personelle Vorschläge für die Regierungsbildung zu machen. Die User antworteten zahlreich, teils hämisch, teils ernst.

Und wenn es doch zu Unruhen im Westjordanland kommt? Würde die Autonomiebehörde den Zugang zum Internet abschalten? Möglich wäre es allemal. Paltel, das palästinensische Telekommunikationsunternehmen, hat die gesamte Kontrolle über Internet, Festnetz sowie Mobilfunknetz. Daraus schließt der Internet-Unternehmer Ayman Qarout: "Wenn die Führung in Ägypten den Zugang zum Internet von vier Providern ausgeschaltet hat, dann kriegt man das hier auf jeden Fall auch hin."

Internet-Aktivistin Rahmeh hat für den Fall der Fälle bereits eine Alternative parat. "Sollte das passieren, benutzen wir einfach das israelische Netz mit USB-Funksticks", sagt sie.

dpa