Anhänger und Gegner Mubaraks liefern sich Straßenschlachten

Anhänger und Gegner Mubaraks liefern sich Straßenschlachten
Auf dem Tahrir-Platz fließt Blut. Mit Steinen, Knüppeln und Eisenstangen gehen Anhänger und Gegner von Präsident Mubarak aufeinander los. Viele Menschen werden verletzt. Im Jemen kündigt ein weiterer arabischer Potentat seinen Rückzug an.

Neue Eskalation der Gewalt in Ägypten: Anhänger und Gegner des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak haben sich am Mittwoch blutige Straßenschlachten geliefert. Dutzende Menschen wurden verletzt, als 4.000 Anhänger von Mubaraks Nationaldemokratischer Partei (NDP) auf den Tahrir-Platz in Kairo strömten, um die Regimegegner zu vertreiben. Die Armee rief die Menschen zum Verzicht auf weitere Demonstrationen auf, hielt sich selbst bei den neuen Protestaktionen aber auffallend zurück. Zugleich werden die Rufe nach sofortigem Rücktritt Mubaraks immer lauter - auch die USA forderten den Präsidenten zu raschem Handeln auf.

Männer ritten auf Kamelen und Pferden in die Menge hinein und schlugen mit Knüppeln und Eisenstangen auf Regimegegner ein. Einige Schlägertrupps hatten auch Messer dabei. Die Anti-Mubarak-Demonstranten warfen der NDP vor, sie habe bezahlte Schlägertrupps und Polizisten in Zivil geschickt. Aus nächster Nähe schleuderten die Kontrahenten mit voller Wucht Steine aufeinander.

Der Appell der Armee verhallt ungehört

Vergeblich hatten die ägyptischen Streitkräfte zuvor an die Bevölkerung appelliert, die Demonstrationen zu beenden. Gleichzeitig versicherten sie der aufrührerischen Jugend aber ihren Schutz. Die Forderungen der Jugend seien verstanden worden, erklärten die Streitkräfte im Staatsfernsehen. Die Botschaft sei angekommen. Die Oppositionsbewegung kündigte dennoch weitere Proteste bis zur Amtsaufgabe Mubaraks an.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verlangte angesichts der andauernden Proteste weitere Schritte von Mubarak. Das ägyptische Volk erwarte, dass in kurzer Zeit mit dem Aufbau einer neuen Demokratie begonnen werde, habe aber kein Vertrauen in den Reformwillen des bisherigen Systems.

Mubarak hatte am Dienstagabend erklärt, er werde bei der Präsidentenwahl im Herbst nicht mehr antreten. Die Forderung der Opposition nach einem sofortigen Rücktritt lehnte er damit ab. Die Jugendbewegung 6. April zeigte sich enttäuscht vom Angebot des 82-Jährigen. "Wir setzen die Proteste fort, bis unsere Forderungen erfüllt sind, besonders die Forderung nach dem Rücktritt Mubaraks und seines Regimes", sagte ein Sprecher der Jugendbewegung.

Obama drängt Mubarak zum Rücktritt

Der von den oppositionellen Muslimbrüdern unterstützte Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei kritisierte: "Wie immer hört er (Mubarak) nicht auf sein Volk." El Baradei gilt als Hoffnungsträger der Opposition. Der Sprecher der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, sagte, die Zugeständnisse Mubaraks kämen zu spät. Israel macht sich angesichts des erwarteten Machtwechsels in Ägypten Sorgen um die Zukunft seines mehr als 30 Jahre alten Friedensabkommens mit dem Nachbarland. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, kündigte an, er werde möglicherweise selbst für das Präsidentenamt kandidieren.

Auch in anderen arabischen Ländern rumort es heftig. Der jemenitische Präsident Ali Abdullah Salih erklärte am Mittwoch in Sanaa vor beiden Kammern des Parlaments, er wolle nach 32 Jahren auf eine weitere Amtszeit verzichten. Außerdem will der starke Mann Jemens die für April geplante Parlamentswahl verschieben und eine Regierung der nationalen Einheit bilden, wie ein dpa-Mitarbeiter berichtete.

US-Präsident Barack Obama drängte Mubarak in einem persönlichen Gespräch, sofort den Weg zum Aufbau einer Demokratie freizumachen. "Ein geordneter Übergang muss bedeutungsvoll sein, muss friedlich sein und muss jetzt beginnen", sagte Obama in Washington. Er habe dies in einem Telefonat mit Mubarak nach dessen Rede verdeutlicht.

Der US-Präsident sagte nicht direkt, ob Mubarak sich sofort zurückziehen müsse, aber laut einem Bericht der "Washington Post" würde es die amerikanische Regierung vorziehen, wenn der Ägypter die Macht schon vor den angekündigten Wahlen im September an eine Interimsregierung abgeben würde.

Westerwelle für "zügigen politischen Neuanfang"

Mubarak hatte in einer mit Spannung erwarteten Fernsehansprache angekündigt, die noch verbleibenden Monate im Amt wolle er für eine "friedliche Machtübergabe" nutzen. Das Parlament solle demnächst über eine Reform der Verfassung beraten. Parlamentspräsident Fathi Surour kündigte allerdings an, die Sitzungen des Parlaments würden so lange verschoben, bis die Justiz über die Beschwerden gegen die Ergebnisse der Parlamentswahl vom vergangenen November entschieden habe.

Die Bundesregierung sprach sich für einen zügigen politischen Neuanfang in Ägypten aus. Es gehe nicht an, dass der Wandel in dem Land hinausgezögert werde, sagte Außenminister Guido Westerwelle in Berlin. Die Ankündigung von Präsident Mubarak mache den Weg frei für einen politischen Neuanfang. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte zur Unterstützung der Opposition in Ägypten auf. "Es muss ein politisches Signal geben, das sagt: Wir sind an der Seite der Opposition, der Menschen, des Volks", betonte Trittin im ARD-"Morgenmagazin". Der Nahostexperte Michael Lüders sagte dem Nachrichtensender n-tv: "Die Verlässlichkeit von Diktatoren ist nicht länger gewährleistet."

Die Demokratiebewegung in den arabischen Ländern steht auch im Mittelpunkt bevorstehender internationaler Treffen. Die Entwicklung werde bei der dreitägigen Münchner Sicherheitskonferenz, die an diesem Freitag beginnt, eine erhebliche Rolle spielen, sagte der Leiter Wolfgang Ischinger der Nachrichtenagentur dpa. Auch die EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Sondertreffen an diesem Freitag in Brüssel über die politischen Krisen in Ägypten und Tunesien debattieren.

dpa