Externe Aufpasser wollen Wikipedia verbessern

Externe Aufpasser wollen Wikipedia verbessern
Wie glaubwürdig sind die Informationen der Wikipedia? Das Wiki-Watch-Projekt schaut den Autoren der Online-Enzyklopädie auf die Finger. Entstanden ist ein umfassendes Angebot, das den kritischen Blick auf die Qualität der Artikel fördert.
14.01.2011
Von Peter Zschunke

Das Gemeinschaftswerk Wikipedia hat sich in zehn Jahren viel Vertrauen erworben - Anfang dieses Jahres registrierte die deutschsprachige Ausgabe der Online-Enzyklopädie an einem einzigen Tag 29,4 Millionen Zugriffe auf die 1,2 Millionen Artikel. Die Wikipedia verdient aber auch kritische Fragen zur Qualität der Informationen. Die Suche nach den Antworten unterstützt das Projekt Wiki-Watch, das an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) betreut wird.

"Wir vertrauen alle Wikipedia, aber wir wissen nicht, wer an den Artikeln gearbeitet hat und wie zuverlässig sie sind", sagt Wolfgang Stock. Er leitet zusammen mit Johannes Weberling die Arbeitsstelle Wiki-Watch im Studien- und Forschungsschwerpunkt Medienrecht der Juristischen Fakultät. "Wir wissen nicht, wo die Inhalte der Artikel herkommen, denn die Autoren sind fast immer anonym."

Wiki-Watch fördert Qualitätssicherung

Den Anstoß zu dem Projekt gab Anfang 2009 die Manipulation im Artikel zu Karl-Theodor zu Guttenberg - damals wurde ein falscher "Wilhelm" in die lange Reihe der Vornamen geschmuggelt. "Heute wäre das so nicht mehr möglich, weil es für solche Fälle eine Stufe zur Qualitätssicherung gibt", erklärt der Professor, der sich selbst als "großen Fan von Wikipedia" bezeichnet. "Wikipedia hat gelernt, aber wir haben auch alle als Gesellschaft gelernt."

Wiki-Watch funktioniert wie eine parallele Ausgabe der Wikipedia. Das seit Oktober 2010 betriebene Projekt ermöglicht die Suche nach einem beliebigen Lexikonartikel, zeigt dann aber zusätzliche Informationen an: etwa Bewertungen mit bis zu sechs Sternen, die Zahl der Autoren, die an dem Beitrag mitgearbeitet haben, und die Anzahl der Bearbeitungen. Als unsicher eingestufte Informationen werden farbig markiert. Derzeit ist das Portal noch eine Betaversion und damit in der Testphase.

So zeigt der Eintrag zum Wikipedia-Artikel über das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart21, dass dieser Beitrag mehr als 1.600 Änderungen erfahren hat und von mehr als 350 Autoren bearbeitet wurde. Ruft man beim Beobachtungszeitraum den letzten Monat auf, wird auch die Entwicklung der Zugriffsstatistik angezeigt: Anfang Dezember 2010 waren es an einzelnen Tagen mehr als 4.000 Zugriffe, inzwischen ist das deutlich zurückgegangen.

Ein Dienst für die Netz-Community

Bei der Bewertung nutzt Wiki-Watch auch das in den USA entwickelte System WikiTrust zur Einschätzung von Autoren und Beiträge. Weitere Werkzeuge zur Qualitätskontrolle hält zum Beispiel der "WikiScanner" bereit, der zurzeit überarbeitet wird.

Die Bewertung bei Wiki-Watch erfolgt anhand von formalen Kriterien wie der Anzahl der in einem Artikel aufgeführten Quellen. "Sie kann eine kluge menschliche Bewertung nicht ersetzen, aber wertvolle Hinweise dafür liefern", heißt es in der Erläuterung der Wiki-Watch-Maßstäbe. Das mit Spenden finanzierte Wiki-Watch-Projekt ließ dafür einen eigenen Algorithmus programmieren.

"Unsere Beurteilung nach formalen Kriterien hilft dem Nutzer bei der kritischen Bewertung, wie sehr er einem bestimmten Wikipedia-Artikel vertrauen kann", erklärt Stock. In der Regel seien die Texte gut. Manche hätten aber auch Defizite, und "einige wenige sind auch stark tendenziell".

Stock betrachtet Wiki-Watch als einen "Dienst für die Netz-Community: Wir wollen zeigen, was in Wikipedia abläuft, und wer das tut." Letztlich sei es auch das Ziel, einen Beitrag für eine Verbesserung der Wikipedia-Qualität zu leisten. Bestätigt fühlen sich die Wiki-Watcher von der Resonanz: "Die Zahl der Seitenaufrufe steigt fast jeden Tag."

dpa