In Indonesien garantiert die Polizei ein friedliches Fest

In Indonesien garantiert die Polizei ein friedliches Fest
Indonesien gilt als Paradebeispiel für einen moderaten Islam. Das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt ist stolz auf seine religiöse Toleranz. Auch Weihnachten ist ein Feiertag. Doch die Toleranz scheint zu bröckeln. Beobachter sind alarmiert.
22.12.2010
Von Christiane Oelrich

Weihnachten ist im bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt eine große Sache. Christbäume haben in der schwülen Hitze der indonesischen Hauptstadt Jakarta Hochkonjunktur, neben Kunstschnee und Plastik-Eiszapfen. Nicht nur die Einkaufszentren und Hotels sind dekoriert. Firmen verteilen Präsente an Mitarbeiter, der muslimische Gouverneur von Jakarta, Fauzi Bowo, lädt seine Angestellten zur Weihnachtsfeier ein. Indonesien zelebriert seine religiöse Toleranz - und doch muss die Polizei Sondereinheiten aufbieten, um Gotteshäuser zu schützen.

"Die Polizei garantiert, dass die Festlichkeiten in Jakarta friedlich verlaufen", sagte Polizeichef Sutarman vergangene Woche. Zusammen mit dem Militär stellt er zum Schutz der 1.600 Kirchen der Stadt während der Festtage extra 9.000 Sicherheitskräfte ab. Die Maßnahme erfolgt nach einer Reihe von Zusammenstößen in diesem Jahr. Die Organisation International Crisis Group, die bei der Lösung von Konflikten hilft, ist alarmiert. "Die Regierung braucht eine Strategie, um der wachsenden religiösen Intoleranz zu begegnen, vor allem in Gegenden, wo sich Hardliner-Islamisten und christliche Eiferer den Einfluss streitig machen", berichtete sie Ende November.

Auf der Insel Sulawesi kamen vor zehn Jahren bei Anschlägen auf Kirchen am Weihnachtstag 18 Menschen ums Leben. Ein Aufschrei der Entrüstung drängte die Hardliner zunächst zurück. Doch ist in diesem Jahr Jakartas Vorort Bekasi zum Brennpunkt geworden. Christliche Aktivisten hatten im Mai einen Marsch gegen Rauschgift angemeldet, bildeten dann aber plötzlich vor der al-Barkah Moschee ein Kreuz. Muslimische Aktivisten liefen Sturm, allen voran die "Muslimische Verteidigerfront" (FPI). Es handelt sich um halbkriminelle Gangs, die unter dem Mäntelchen religiöser Pietät an anderer Stelle Bars und Musiker angreifen und dann gerne Schutzgeld erpressen.

Indonesien ist ein weltlicher Staat

Die FPI zog auch an vorderster Front gegen ein Denkmal zu Felde, das drei Jahre unbehelligt in Bekasi gestanden hatte. Es zeigt drei einheimische Frauen, die plötzlich als Mutter Maria oder Dreifaltigkeit umgedeutet wurden. Sie mobilisierten Mitstreiter und zwangen den Bürgermeister mit unverhohlenen Drohungen von Gewalt zur Entfernung der Statue. Mit gleichen Methoden verhinderten sie den Bau von zwei Gotteshäusern der traditionell protestantischen indonesischen Batak-Minderheit in Bekasi. Dass die Behörden einknicken, kritisiert die Crisis Group besonders. "Wie so oft behaupten radikale Organisationen, sie sprechen für alle Muslime - das ist eindeutig nicht der Fall", hält sie in ihrem Bericht fest.

"In meinem Alltag läuft das Zusammenleben mit Christen bestens, Religion ist gar kein Thema", sagt ein Banker in Jakarta, selbst Muslim. "Aber es gibt immer wieder Heißsporne, die die Stimmung anheizen wollen." Und dann rückt er mit anderen Ressentiments heraus: die Bataks seien immer laut und anstrengend, das spiele in Bekasi auch eine Rolle. Ein solcher christlicher Batak, der in Jakarta für die Stadtverwaltung arbeitet, findet, dass Spannungen zwischen Christen und Muslimen zunehmen. "Kollegen sagen manchmal zu mir: warte nur ab, bald haben wir die Regierung so weit, dass sie Indonesien als "islamischen Staat" deklariert. Das macht mir Angst."

Indonesien mit 240 Millionen Einwohnern ist ein weltlicher Staat. 88 Prozent der Einwohner sind nach der Volkszählung aus dem Jahr 2000 Muslime, 5,8 Prozent evangelische, drei Prozent katholische Christen. Die Religionsfreiheit ist in der Verfassung garantiert.

Religiöse Toleranz schwindet

Es gibt aber Anzeichen, dass die religiöse Toleranz schwindet. Nach einer Umfrage des "Zentrums für Islam- und Gesellschaftsstudien" stieg die Zahl der Muslime, die keine Kirchen in ihrer Nachbarschaft wollen, in zwei Jahren von 51,4 auf 57,8 Prozent. 2008 lehnten 21,4 Prozent der Muslime nicht-muslimische Lehrer ab, in diesem Jahr waren es 27,6 Prozent. Die Crisis Group verlangt ein aktives Einschreiten der Regierung, um die religiöse Toleranz zu erhalten. Behörden dürften dem Mob nicht nachgeben, Massenmedien und Schulen sollten aktiv zu Programmen über gegenseitigen Respekt angehalten werden.

Die größte Moschee Indonesiens, die Masjid Istiqlal in Jakarta, praktiziert das mit der Gereja-Kathedrale gegenüber. Weihnachten räumt die Moschee ihren Parkplatz für Christen frei. 11.000 feierten dort im vergangenen Jahr die Weihnachtsmesse. Fernab von Brennpunkten wie Bekasi haben die meisten Muslime keine Berührungsängste mit dem christlichen Weihnachtsfest. Sie posieren gerne für Schnappschüsse vor dem Weihnachtsbaum.

dpa