Streit um Ausbildungspakt: DGB macht nicht mit

Streit um Ausbildungspakt: DGB macht nicht mit
Rückschlag für die Regierung: Sie wollte gerne die Gewerkschaften beim neuen Ausbildungspakt dabei haben. Aber der DGB fühlt sich verschaukelt: Die Wirtschaft habe mit gezinkten Karten gespielt.
27.10.2010
Von Tim Braune

Die Gewerkschaften haben ihre Teilnahme am neuen Ausbildungspakt in letzter Minute platzen lassen und die Bundesregierung blamiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatten wochenlang verhandelt, um den DGB erstmals mit ins Boot zu holen. "Letztlich waren die inhaltlichen Differenzen nicht zu überbrücken", sagte Brüderle am Dienstag nach der Verlängerung des Pakts bis 2014.

Arbeitgeber und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schoben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Die Gewerkschaften sprachen von einem handfesten Skandal. "Einmal mehr lässt sich die Regierung von der Wirtschaft ihre Politik ins Blatt diktieren", sagte DGB-Vize Ingrid Sehrbrock.

Die Arbeitgeber hätten mit Forderungen, den Jugendarbeitsschutz aufzuweichen, die schon abgeschlossenen Verhandlungen torpediert. Auch liefere der Pakt nur schöngerechnete Zahlen. "Bundesregierung und Arbeitgeber sehen auch im Jahr 2010 mehr als 72.000 Jugendliche schon als versorgt an, auch wenn sie in berufsvorbereitenden Maßnahmen, Praktika und Einstiegsqualifizierungen stecken."

Altbewerber: Seit Jahren in der Warteschleife

Nach Angaben der Arbeitsagentur BA hat sich die Lage auf dem Lehrstellenmarkt entspannt. Die Bewerberzahlen sinken, weil viele junge Leute sich für ein Studium entscheiden. Auch machen sich die geburtenschwachen Jahrgänge bemerkbar. Zum neuen Ausbildungsjahr stieg die Zahl der Lehrstellen um 1,7 Prozent auf 483.500.

Rund 12.000 junge Leute bekamen zum Stichtag 30. September keinen Platz - im Vorjahr waren es noch 15.700. Die Arbeitsagentur hofft, die zunächst leer ausgegangenen Jugendlichen noch unterzubringen. Es gebe fast 20.000 freie Lehrstellen. Jedoch befinden sich zehntausende Altbewerber schon seit mindestens zwei Jahren in der Warteschleife.

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte, nicht so gute Schüler würden mit dem Pakt künftig auf ihrem Weg in den Beruf besser gefördert. So sollen 1.000 zusätzliche Berufseinstiegsbegleiter in den Schulen eingesetzt werden. Sie sollen rund 30.000 Schüler betreuen. "Die ersten 500 Berufseinstiegsbegleiter werden im November ihre Arbeit aufnehmen", sagte Schavan.

Opposition sieht nur Scheitern

Nach Ansicht der Opposition ist die Regierung auf ganzer Linie gescheitert. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisierte, Schwarz-Gelb seien Lobbyinteressen der Arbeitgeber wichtiger als die Mitarbeit der Gewerkschaften.

Die Grünen-Expertin Priska Hinz meinte: "Die schwarz-gelbe Bundesregierung scheint noch immer zu glauben, dass gute Fachkräfte wie Champignons im dunklen Keller unbeobachtet wachsen und dann plötzlich da sind." Die Linkspartei erklärte, ohne verbindliche Ziele sei der Ausbildungspakt das Papier nicht wert, auf dem er stehe.

Die Spitzenverbände der Wirtschaft bedauerten die Haltung des DGB und wiesen die Vorwürfe zurück. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, betonte, die Gewerkschaften seien unfähig gewesen, die veränderte Wirklichkeit am Ausbildungsmarkt anzuerkennen. Die Wirtschaft hat nun zwar 60.000 Lehrstellen und 30.000 neue Lehrbetriebe pro Jahr zugesagt - dieses Angebot steht aber unter Vorbehalt. Die Arbeitgeber wollen abwarten, ob Schüler- und Bewerberzahlen weiter sinken.

Hundt fordert Lockerung des Jugendarbeitsschutzes

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte die Regierung auf, den Jugendarbeitsschutz zu lockern. Vor allem Gaststätten und Hotels beklagen, dass sie früh morgens oder spät abends ihre Lehrlinge nicht einsetzen dürfen. Brüderle will hier aber nicht eingreifen: "Das steht nicht auf der Agenda."

Der Ausbildungspakt war 2004 gegründet worden. Jetzt wird er reformiert. Als neue Partner sind die Bundesländer und die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) dabei. Die Chancen von Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln auf dem Lehrstellenmarkt müssten dringend verbessert werden. Bei deutschen Jugendlichen liege die Ausbildungsquote bei 68,2 Prozent - bei Kindern aus Migrantenfamilien bei nur 32,2 Prozent.

dpa