Ab in die Sommerpause: Angela Merkels schöne Welt

Ab in die Sommerpause: Angela Merkels schöne Welt
Es läuft eigentlich nicht gut für Angela Merkel. In Umfragen liegt Schwarz-Gelb bei nur noch 36 Prozent und auch personell sieht es schlecht aus: Nach Roland Koch, Frontmann der Konservativen in der Union, hat nun auch der liberale Ole von Beust seinen Abschied aus der Politik erklärt. Bei ihrer letzten Pressekonferenz vor der Sommerpause gab sich die Kanzlerin aber betont gelassen und war sogar zu Scherzen aufgelegt.
21.07.2010
Von Henrik Schmitz

Wer eine abgekämpfte oder müde Angela Merkel erwartet hatte, wurde enttäuscht. Wie jedes Jahr freue sie sich natürlich sehr auf den Urlaub, erklärte die Kanzlerin den anwesenden Journalisten in der Bundespressekonferenz. Aber: "Ich komme wieder. Das habe ich vergangenen Jahr auch schon gesagt und wie sie sehen, habe ich das wahr gemacht." So spricht Merkel und lächelt ihr Lächeln, bei dem die Mundwinkel, die sonst durch zwei Falten Richtung Kinn verlängert werden, beinahe bis an die Ohren reichen. Die Rücktritteritis, die im Lande grassiert, hat Angela Merkel keinesfalls erfasst. Die einen legten berufliche Erfahrungen außerhalb der Politik eher ans Karriereende, sie selbst habe diese anderen Erfahrungen ja längst hinter sich.

Merkel ist gut gelaunt und wenn man ihre Sicht der Dinge teilt, gibt es auch allen Grund dazu. In Merkels Welt ist Deutschland auf einem guten Weg raus aus der Krise und sorgt für internationale Wachstumsimpulse. Keine Regierung habe soviel in Forschung und Bildung investiert wie die jetzige und auch die Haushaltskonsolidierung werde so stattfinden, "wie wir sie besprochen haben". Was politische Beobachter als Querschüsse betrachten – etwa Äußerungen von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle zum Thema Steuern auf Flugtickets – sieht Merkel als "normale Debatten" um die "rechtliche Umsetzung" der Sparbeschlüsse. "Kein Land kann seine Probleme lösen, ohne dass es Debatten gibt", sagt Merkel und erklärt gleich, warum es zu Zeiten der großen Koalition nicht so viel Krach im Gebälk gab. Da sei nun einmal die SPD mitverantwortlich gewesen, die nun aber jede Maßnahme kritisiere, sagte die Kanzlerin sinngemäß.

Erstaunliche Antworten

Merkel strahlt, redet schön und hat zum Teil erstaunliche Antworten parat. Beispiel Wirtschaftskompetenz der Union. Die sieht Merkel beim baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus bestens aufgehoben. "Ein baden-württembergischer Ministerpräsident ist per se wirtschaftskompetent, einen anderen wählen die da gar nicht", findet sie. Den Wechsel von Günther Oettinger zur EU-Kommission und die Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten verkauft sie den Journalisten als gelungene Personalentwicklung. Und das Tolle ist: Wenn man Merkel zuhört, kann man sich bestens einfinden in ihre Welt, in der die Regierung alles gut macht, was nur dadurch getrübt wird, dass schwere Zeiten bevorstehen.

Bei jeder Frage blickt Merkel hochkonzentriert und fokussiert den Fragenden mit zusammengekniffenen Augen. Und bei jeder Antwort macht sie zwei Handbewegungen. Die eine ist der bekannte merkelsche Handkantenschlag, bei dem die Arme einen rechten Winkel bilden und seitlich am Körper entlang von oben nach unten geführt werde, die Finger der Hände nach vorne gestreckt. Mit dieser Geste unterstreicht Merkel Sätze, die sie besonders wichtig findet. Geste und Sprache sind dann eins, bei jeder Silbe, die Merkel betont, ist die Hand unten, dann geht es wieder nach oben: "Aus dem Blick-win-kel der Welt sind wir ein Kon-ti-nent mit er-heb-lich-en Schwä-chen", ist so ein wichtiger Satz. Die Schwächen sind auch wichtig, weshalb die Arme angewinkelt bleiben. Überalterung, Griechenland, Spanien lauten die Stichworte.

Die Geste der Wegstrecke

Merkels andere Geste ist die Geste der Wegstrecke. Dann hebt Merkel ihre rechte Hand und fährt mit einem Kugelschreiber von links nach rechts, um zu unterstreichen, welchen Weg sie gegangen ist. Die Wege sind dabei unterschiedlich. Mal ist es eine Reise nach China oder Russland (hervorragende Beziehungen!), die mit dieser Geste untermalt wird, mal die Gesundheitsreform. "Wir gehen davon aus, dass die Gesundheitskosten Jahr für Jahr teurer werden", sagt die Kanzlerin. Bei "Jahr für Jahr" hebt sie jedes Mal den Kugelschreiber noch ein wenig höher in die Luft. Die Kritik an der Gesundheitsreform bügelt sie ab. Unsolidarisch? Wer Kostensteigerungen leugne, sei unsolidarisch, findet sie Kanzlerin und hält es für die richtige Entscheidung, die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten ein Stück weit entkoppelt zu haben.

Überraschendes gibt es nicht, nur gute Laune. Steuersenkungen, wie zuletzt von der FDP wieder ins Spiel gebracht, hält Merkel in der laufenden Legislaturperiode weiter für unwahrscheinlich. Steuervereinfachung sei eher das Thema. Wie die Zusammenarbeit mit den bayerischen Ministern so laufen würde, will eine Journalistin vom bayerischen Rundfunk wissen. Natürlich prima, findet Merkel und lobt Verteidigungsminister zu Guttenberg, Verbraucherministerin Aigner und Verkehrsminister Ramsauer. Dass auch Justizministerin Leutheusser-Schnarrrenberger aus Bayern kommt, vergisst die Kanzlerin, aber vielleicht ist sogar für Merkel Bayern und CSU irgendwie dasselbe.

Atomkraft und bayerische Politiker

Am Ende wird Merkel sogar ironisch. Wenn sie einen Wunsch hätte, was sie sich wünschen würde, wird die Kanzlerin gefragt. "Als Regierungschefin kann ich mir ja täglich meine Wünsche erfüllen. Das ist ja das Schöne an meinem Amt - aus ihrer Sicht", sagt Merkel und die Mundwinkel gehen wieder sehr weit nach oben. Auch in schlechten Zeiten macht Kanzlerin offenbar ziemlich viel Spaß.

Nach der Sommerpause will Merkel wiederkommen. Bundeswehrreform, Gesundheitsreform, Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen, ein Gesamtenergiekonzept mit der Frage, wie die "Brückentechnologie" Atomkraft eingesetzt wird und die internationale Finanzarchitektur stehen dann auf dem Programm der Regierung. Merkel wünscht noch frohen Urlaub, bedankt sich bei ihrem Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, der BR-Intendant wird, für die gute Zusammenarbeit, dann ist sie weg. Vorübergehend natürlich nur.


Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de und betreut die Ressorts Medien und Kultur. Über die Entstehung dieses Beitrages lesen Sie auch in unserem Teamblog.